Herr
"Geplant war gar nichts"

28.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:52 Uhr

Folgenschwere Talkrunde: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag im Berliner Maxim Gorki Theater. - Fotos: Schwarz/AFP, oh

Berlin (DK) Ulli Köppe stellte Kanzlerin Angela Merkel die Frage nach der Ehe für alle und löste damit ein politisches Beben aus.

Herr Köppe, Sie haben am Montag bei einer Talkrunde in Berlin mit Ihrer Frage an Kanzlerin Angela Merkel zur Ehe für alle die Wende eingeleitet. Damit haben Sie nicht gerechnet, oder?

Ulli Köppe: Es war reiner Zufall. Das Thema liegt mir auf der Seele, ich saß mit meinem Freund in der zweiten Reihe. Niemand wollte mehr eine Frage stellen, da hatte ich plötzlich das Mikrofon vor der Nase. Geplant war gar nichts, ich war selbst völlig überrascht!

 

Was hat Sie zu der Frage getrieben?

Köppe: Ich wollte einfach wissen, wann wir Homosexuellen das gleiche Recht bekommen wie heterosexuelle Paare.

 

Am Freitag wird es so weit sein, wenn der Bundestag abstimmt. Haben Sie jetzt Ihrem Freund schon einen Antrag gemacht?

Köppe: Das ist eine sehr gute Frage (lacht). Gestern Abend haben wir sehr lange darüber diskutiert. Wir sind gemeinsam mit meinen Schwiegereltern Essen gegangen, haben ein bisschen gefeiert. Aber wir haben noch keinen Entschluss gefasst. Ich lebe seit fast zwölf Jahren mit meinem Freund zusammen. Für mich ist es an der Zeit. Jetzt müssen wir uns nur noch trauen.

 

Wann ahnten Sie erstmals, was Sie mit Ihrer Frage ins Rollen gebracht haben?

Köppe: Für mich war das überhaupt nicht absehbar. Ich saß nach der Veranstaltung mit meinem Freund zusammen, als plötzlich eine Welle an Facebook-Nachrichten über mich hereinbrach. Viele Menschen haben sich bedankt, von denen ich seit Ewigkeiten nichts mehr gehört hatte. Das ist schon merkwürdig, schließlich habe ich ja nur eine Frage gestellt, die der Kanzlerin jeden Tag jemand stellen könnte. Es ist einfach verrückt, welche Konsequenzen die Antwort der Kanzlerin nun hat.

 

Hatten Sie den Eindruck, sie war nicht vorbereitet?

Köppe: Ja, irgendwie schon. Bei den anderen Themen wusste sie gleich, was sie sagen würde. Bei meiner Frage ist sie ins Nachdenken gekommen, hat dann spontan geantwortet. Für mich hörte sich das sehr ehrlich an. Sie hat sich entwickelt, ihre Position verändert, das mag ich so an Angela Merkel. Ich bin mir aber noch immer nicht sicher, ob ich ihr mit der Frage einen Gefallen getan habe, oder ob sie mich jetzt blöd findet. Sie hat sich leider noch nicht bei mir gemeldet. Ich versuche, morgen im Bundestag bei der Abstimmung auf der Zuschauertribüne dabei zu sein. Dann würde ich versuchen, einen Blickkontakt mit der Kanzlerin herzustellen, um zu sehen, ob sie mir dankbar ist oder ob sie eben sauer auf mich ist (lacht).

 

Die SPD hat Angela Merkel beim Wort genommen und erzwingt nun die Abstimmung über die Ehe für alle. Der richtige Schritt?

Köppe: Ja klar! Auch wenn ich mit Angela Merkel und ihrem Programm übereinstimme und nicht mit Martin Schulz. Aber die SPD kämpft schon lange für die Ehe für alle, und das finde ich toll. Dass es jetzt so schnell geht, kurz vor der Sommerpause, ist großartig.

 

Sie sind jetzt der Held, der der Ehe für alle zum Durchbruch verholfen hat. Wie fühlen Sie sich damit?

Köppe: Es ist schon ein gutes Gefühl, aber natürlich ist es auch komisch. Es gibt viele Menschen, die intensiver für die Ehe für alle gekämpft haben. Ich habe nur eine Frage gestellt - auch wenn jetzt vom Schabowski-Moment gesprochen wurde, der dem Mauerfall vorangegangen war. Morgen wird die schwule Community vor dem Brandenburger Tor demonstrieren und die Abstimmung feiern. Da mache ich natürlich mit. ‹ŒDK

 

Die Fragen stellte Tobias Schmidt.

 

 

ZUR PERSON

Ulli Köppe, 28 Jahre alt aus Berlin, ist Mitarbeiter des Schwulen Verlags blu Mediengruppe.