Berlin
Die SPD und der "dritte Weg"

Schulz denkt an neues Kooperationsmodell als Ersatz für eine große Koalition

12.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:05 Uhr

Berlin (DK) Schwarz-roter Gipfel zweieinhalb Monate nach der Bundestagswahl: Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Martin Schulz loten am heutigen Abend aus, ob Union und Sozialdemokraten vielleicht doch zusammen weiterregieren wollen. Der Tagungsort der Sechserrunde, an der auch CSU-Chef Horst Seehofer, Unionsfraktionschef Volker Kauder, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles teilnehmen, wird nicht verraten.

Maximale Geheimhaltung, um nicht die Publicity-Fehler von Jamaika zu wiederholen, neue Balkon-Bilder zu vermeiden. Doch ob heute schon die nächste große Koalition angebahnt wird, muss bezweifelt werden.

SPD-Chef Schulz zog vor dem Spitzentreffen eine für Deutschland ganz neue Option der Regierungszusammenarbeit aus dem Ärmel: Die Einigung auf eine Handvoll Kernprojekte im Koalitionsvertrag, andere Vorhaben bleiben offen. Begrenzte Zusammenarbeit statt durchbuchstabiertes Regierungsbündnis, Kooperations-Koalition statt großer Koalition, "Koko" statt "Groko". Eine "Regierung light" mit Ministerinnen und Ministern von Union und SPD, die sich aber nur auf eine Kernagenda verständigt. Für die Genossen hätte das Charme, sie wittern ihre Chance, sich in einer Art "wilder Ehe" mit der Kanzlerin durch Seitensprünge mit anderen Parteien, das Durchkämpfen eigener "Leuchtturmprojekte" profilieren zu können. Als Vorbild gilt die Einführung der "Ehe für alle" - gegen den Willen der Union. Für Merkel wäre die Kooperations-Koalition wohl ein Graus. Sind doch so keine wirklich stabilen Verhältnisse hinzubekommen - die Kanzlerin müsste sich selbst wechselnde Verbündete suchen. Und so wettern ihre Getreuen heftig gegen den "dritten Weg" zwischen GroKo und Neuwahlen.

"Es gibt nicht nur ein bisschen ,schwanger sein'", bürstete CDU-Vize Julia Klöckner die Schulz-Variante gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion vom Tisch. "Entweder man will regieren oder man will nicht. Wir Christdemokraten wollen eine stabile Regierung oder wir nehmen zur Kenntnis, dass die SPD nicht den Mut zur Regierungsverantwortung hat." Sachsens designierter Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) warnte: Schulz' Art, Politik zu machen, möge im EU-Parlament funktionieren, "aber in Deutschland ist sie wirklich gefährlich". Die SPD solle "zu Seriosität zurückkommen". Und CSU-Chef Horst Seehofer brummte, es sei "politisch geboten", dass "erwachsene Leute mit der notwendigen Disziplin jetzt eine vernünftige Regierung zustande bringen".

Vor allem aus Sicht der SPD-Linken wäre die "Koko" das Vernünftigste, was Martin Schulz mit der Kanzlerin aushandeln könnte. Aus den Grokos ging die Partei mächtig geschrumpft hervor, manche sehen durch eine Neuauflage von Schwarz-Rot schon die Existenz der Sozialdemokratie in Gefahr. Eine Zustimmung der Mitglieder gilt daher als ungewiss. Nur mit Mühe hatte sich Schulz auf dem SPD-Parteitag vergangene Woche grünes Licht für "ergebnisoffene" Gespräche mit der Kanzlerin erkämpft. CDU, CSU und SPD seien in der gemeinsamen Regierung "als ein einziger, monolithischer Block" wahrgenommen worden, so "Koko"-Vordenker Matthias Miersch, Sprecher der Parlamentarischen Linken. Anträge von Linkspartei und Grünen hätten abgeschmettert werden müssen, "obwohl sie in unserem eigenen Wahlprogramm standen", wirbt er nun für "Freiheiten". Kooperation statt Koalition, "das wäre eventuell eine Brücke, über die viele in der SPD gehen könnten", heißt es in der Fraktion.

Die "Koko" als Befreiungsschlag, mit dem sich Schulz aus der Groko-Falle manövrieren will. Steckt hinter seinem Aufschlag womöglich nur Taktik, um den Preis für eine echte große Koalition in die Höhe zu treiben, der Basis am Ende zu sagen, er habe alles versucht, um Schwarz-Rot zu vermeiden? Aber wie könnte die Kanzlerin die Kooperationsvariante überhaupt verhindern? Eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen lauten die Alternativen, sollte Schwarz-Rot komplett scheitern.