Berlin
"Die CDU verliert an Einfluss"

In der Partei wächst die Unzufriedenheit mit dem Koalitions-Kompromiss und mit Kanzlerin Angela Merkel

09.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:50 Uhr

Berlin (DK) Meuterei gegen Merkel? In der CDU rumort es, die Verteilung der Ministerposten in den Koalitionsverhandlungen hat in weiten Teilen der Partei Frust, Kopfschütteln und Fassungslosigkeit ausgelöst. Vor allem der Verlust des Finanzministeriums ist für die Christdemokraten nur schwer zu verdauen. "Wenn die CDU diese Demütigung auch noch hinnimmt, dann hat sie sich selbst aufgegeben", sagt der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Von der Spitze bis zur Basis werden die Kritik an Merkel und der Ruf nach Erneuerung immer lauter. "Die Unzufriedenheit ist sehr groß", sagt Paul Ziemiak, Chef der Jungen Union. "Das waren keine guten Tage, und es brodelt eigentlich an allen Stellen."

Mal wieder ist von "Kanzlerinnendämmerung" die Rede in Berlin, aber so scharf wie jetzt waren die Attacken noch nie. Von "Merkels letztem Aufgebot" und "Muttermord" schreiben die Zeitungen. Die Autorität der Kanzlerin - nur noch ein Scherbenhaufen? Abgeordnete erzählen von wütenden Mails, die sie von ihren Mitgliedern bekämen. Angela Merkel gehe es nur noch um ihren eigenen Machterhalt. Aber nicht nur an der Basis gärt es. "Die CDU ist damit innerhalb des Regierungsapparats strukturell geschwächt und verliert an Einfluss", sagt CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Der langjährige CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagt: "Mittlerweile gilt wohl: Je schlechter die SPD bei Wahlen abschneidet, desto lauter murrt deren Basis, desto mehr müssen CDU und CSU bei Verhandlungen nachgeben, damit die SPD zufrieden ist." Einige befürchten den Anfang vom Ende der Volkspartei CDU, andere fragen, wie klein die CDU sich noch machen wolle.

Noch bleiben die meisten prominenten Kritiker vage, doch es gibt bereits die Ersten, die Merkel vorsichtig daran erinnern, dass ihre Zeit als Bundeskanzlerin endlich ist. "Angela Merkel sollte die Zeichen der Zeit erkennen und einen Übergang in dieser Legislaturperiode schaffen", sagte Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU) am Freitag. Nach über 15 Jahren gebe es "gewisse Abnutzungserscheinungen". Er selbst wünsche sich einen Wechsel möglichst noch innerhalb der kommenden Legislaturperiode. Bei anderen, wie dem CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch klingt der Ton schon drohender. "Wir müssen uns in der CDU schon jetzt überlegen, wie wir uns ohne Merkel personell neu aufstellen", so Willsch. "Denn diese Legislaturperiode kann auch sehr schnell vorbei sein." Die Kanzlerin unter Beschuss, eine neue "Merkel muss weg"-Stimmung breitet sich aus - wie schon einmal auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise.

Auch wenn die Mehrheit der CDU-Granden scheinbar noch fest an der Seite der Kanzlerin stehen: Merkel wankt. Von Aufstand könne keine Rede sein, will Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion Druck von der Kanzlerin nehmen. "Die CDU hat inhaltlich bedeutende Erfolge in den Verhandlungen erzielen können. Der Koalitionsvertrag trägt unsere Handschrift", sagt Kauder. Auch Partei-Vize Julia Klöckner lobt Merkels Verhandlungsgeschick. Manche vermuten, das Finanzministerium für die SPD sei ein Opfer gewesen, ohne das das Ja der SPD-Basis womöglich nicht zustande gekommen wäre. Doch ob es der Deal wert war, um Neuwahlen zu vermeiden? Daran gibt es große Zweifel in der Union. Merkel muss ihre Basis nicht befragen, könnte ohne Entscheid der CDU-Mitglieder erneut mit der SPD regieren. Aber bei der Wiederwahl im Bundestag wird es zur Stunde der Wahrheit kommen. Stimmen 44 Abgeordnete von Union und SPD gegen Merkel, wäre sie durchgefallen. Bis dahin wird sie noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.