Berlin
Der liebe Gott, der Papst und die Versuchung

In der Diskussion nach Franzikus-Äußerungen zum Vaterunser sprechen sich deutsche Theologen gegen eine Änderung des Gebetstextes aus

10.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:05 Uhr

Berlin/Mainz (KNA/epd) Die von Papst Franziskus angestoßene Debatte über die Formulierung des Vaterunsers ist in Deutschland auch am Wochenende weitergegangen. "Es führt kein Weg an der Feststellung vorbei, dass die deutsche Übersetzung dem griechischen Urtext im Matthäus- und Lukasevangelium entspricht", erklärte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf gestern.

Auch die evangelische Theologin Margot Käßmann ist gegen Änderungen am Vaterunser. "Ich bin dafür, das Vaterunser zu belassen, wie es ist. Es geht wohl wirklich auf Jesus selbst zurück", schrieb die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einer Kolumne für die "Bild am Sonntag".

Papst Franziskus hatte den Passus "Und führe uns nicht in Versuchung" in dem Gebet kritisiert. Das sei "keine gute Übersetzung", sagte Franziskus kürzlich im italienischen Fernsehen. Nicht Gott, sondern der Satan führe in Versuchung.

Die Diskussion wurde durch eine Neuübersetzung des Gebets in Frankreich ausgelöst. Seit dem ersten Advent beten die französischen Katholiken: "Und lass uns nicht in Versuchung geraten." Die in Deutschland gebräuchliche Fassung von 1971 wurde von Katholiken und Protestanten gemeinsam erarbeitet.

Der Mainzer Bischof Kohlgraf und Käßmann verteidigten die in Deutschland übliche Formulierung. "Frühere Versuche, die griechische Version ins Aramäische, der Sprache Jesu zurück zu übersetzen, sind nicht eindeutig gelungen. Wir werden also den griechischen Text als das Gebet Jesu nehmen müssen", so Kohlgraf. "Bei der Bitte, dass Gott uns nicht in Versuchung führen möge, geht es nicht um kleine Versuchungen, sondern um die Situation einer Grundentscheidung für oder gegen Gott." Die Gläubigen beteten, dass Gott sie vom Bösen erretten möge. "Mir scheint es nicht sinnvoll, das Gottesbild weichzuspülen und alles wegzustreichen, was ich nicht verstehe", betonte Kohlgraf. "Allein, dass über ein Gebet so diskutiert wird wie derzeit, spricht dafür, die Übersetzung zu belassen."

Käßmann mahnte: "Wenn wir anfangen, Änderungen zu diskutieren, gibt es unzählige Kommissionen, Vorschläge, Auseinandersetzungen. Lassen wir besser das eine gemeinsame Gebet der Christenheit wirken."\tDie Theologin, die noch bis zum nächsten Jahr als EKD-Reformationsbotschafterin tätig ist, schrieb ihrer Kolumne weiter: "Wir können diesem Gebet vertrauen, wie unsere Väter und Mütter im Glauben seit vielen Generationen."

Der Theologe Christoph Kähler, der die Revision der Lutherbibel 2017 geleitet hat, sieht ebenfalls keinen Bedarf für eine Änderung des Vaterunsers. "Das ist sprachlich richtig, außerdem gutes Deutsch", sagte der frühere Thüringer Landesbischof. Die Lutherbibel, die katholische Einheitsübersetzung und die reformierte Zürcher Bibel übersetzten diese Stelle genau so. Das Ringen mit Gott über das Leid und das Böse sei Teil christlicher Theologie. "Deshalb würde ich auch aus theologischer Sicht nichts am Vaterunser ändern", ergänzte Kähler. Die EKD hatte bereits am Freitag zu der der in Deutschland gebräuchlichen Formulierung versichert: "Dabei bleiben wir."

Der Theologe Franz Alt zeigte sich überzeugt, dass "die Hälfte der Jesusworte, so wie sie in unseren Bibeln stehen, falsch übersetzt oder gar bewusste Fälschungen sind". Es helfe, sich klarzumachen, wie das Neue Testament entstanden sei. "Die Bibel ist Menschenwort über die Erfahrung von Gott", sagte Alt der "Bild am Sonntag". Er betonte "Das, was der Papst jetzt gesagt hat, ist nicht weniger als eine geistige Revolution."

Das Vaterunser gilt als erstes Gebet der Christen. Es wird weltweit gesprochen und liegt in zahlreichen Übersetzungen vor.