Berlin
Das Konya-Dilemma

Ein Abzug der Bundeswehr würde den Anti-IS-Einsatz gefährden

17.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:46 Uhr

Berlin (DK) Kanzlerin Angela Merkel legt sich fest - einerseits: "Das Besuchsrecht ist nicht verhandelbar", lässt sie Regierungssprecher Steffen Seibert ihre Haltung im Streit über den türkischen Nato-Stützpunkt Konya bekräftigen. Aber eine Frist, bis zu der der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wieder Abgeordnete des Bundestages die 10 bis 15 deutschen Soldaten in Konya besuchen lassen muss? Die Kanzlerin weicht aus: "Ich halte es nicht für sinnvoll, jetzt hier Zeiterwartungen in den Raum zu stellen", erklärt ihr Sprecher. "Das Ganze ist misslich, ausgesprochen misslich", sagte Merkel selbst in ihrem ARD-Interview am Sonntagabend.

Eine für gestern geplante Visite in Konya musste in letzter Minute abgeblasen werden, weil die Türkei um eine "Verschiebung" gebeten hatte. Das wird als Retourkutsche für das Redeverbot für Erdogan rund um den G 20-Gipfel in der vergangenen Woche interpretiert. Wie geht es jetzt weiter? Folgt auf den Abzug aus Incirlik nun auch der Abzug aus Konya, von wo aus sich die Nato mit Awacs-Flugzeugen am Kampf gegen die Terrormiliz IS beteiligt?

Die SPD versucht, aus dem Streit mit Erdogan politisches Kapital zu schlagen, Merkel in die Zwickmühle zu treiben: "Bis zur nächsten Sitzungswoche des Bundestages im September müssen wir wissen, was Sache ist. Das ist unsere Frist", sagte gestern der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. Ein klares Ultimatum - das kurz vor der Bundestagswahl ausläuft. "Wenn es im September noch keine Möglichkeit gibt, die Soldaten in Konya zu besuchen, müssen wir mit der Nato über den Abzug der deutschen Truppen reden." Druck macht auch Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Bundestags: "Wenn die Türkei nicht einlenkt, sollte der Nato-Stützpunkt in ein anderes Partnerland verlegt werden", fordert er.

Für Merkel ein heikler Streit. Vor dem G 20-Gipfel hatte sie nach langem Zögern Erdogan ein Redeverbot in Deutschland erteilt, dabei wohl auch die Erdogan-kritische deutsche Bevölkerung im Blick. Sollte sie nun keine harte Haltung gegenüber Ankara zeigen, würde ihr das schnell als Lavieren ausgelegt und könnte am 24. September Stimmen kosten.

Doch anders als in Incirlik geht es in Konya um einen Nato-Einsatz, der durch einen Abzug der deutschen Awacs-Besatzung auf dem Spiel stünde. Soll Deutschland das riskieren, weil Erdogan Merkel abstrafen will? Hans-Peter Uhl (CSU), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages, warnt genau davor: "Auf gar keinen Fall sollten wir die deutschen Soldaten abziehen", so seine kategorische Forderung. Er will dafür Erdogans Affront schlucken, das Besuchsrecht der Abgeordneten mit Füßen zu treten: "Dieses Recht ist nicht so wichtig in dem Fall, um die Nato-Bündnistreue zu opfern."

Wie kommt Merkel aus dem Dilemma? Hoffnung ruht auf Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der sich als Vermittler eingeschaltet hat. Am Freitag führte er erste Gespräche mit Ankara. Stoltenberg müsse Erdogan "klarmachen, welchen langfristigen Schaden sein Verhalten für die türkische Stellung in der Militärallianz anrichten würde", sagte SPD-Verteidigungsexperte Arnold. Ohne baldiges Einlenken Ankaras - so viel ist klar - wird Konya Wahlkampfthema bleiben.