Barcelona
Madrid greift in Katalonien durch

Polizei-Razzia gegen Regionalregierung in Barcelona wegen geplantem Unabhängigkeits-Referendum

20.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:28 Uhr

Barcelona (AFP) Der Konflikt um das Unabhängigkeits-Referendum in Katalonien spitzt sich zu. Gestern nahm die spanische Polizei bei einer morgendlichen Razzia in der Regionalregierung in Barcelona 13 Regierungsmitarbeiter fest. Tausende aufgebrachte Katalanen gingen anschließend auf die Straße.

Vor dem Außenministerium in Barcelona kam es zu Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizisten, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. "Raus mit den Besatzungskräften!", schrieen einige Demonstranten. Rund 4000 Demonstranten versammelten sich nach Polizeiangaben im Zentrum von Barcelona. Viele waren in die gelb-rote Flagge Kataloniens gehüllt, riefen "Unabhängigkeit" und "Wir werden wählen!"

Eine einflussreiche Organisation für die Unabhängigkeit, die Katalanische Nationalversammlung (ANC), rief zu weiteren gewaltfreien Protesten auf. "Wir wollten wählen und sie erklärten den Krieg", erklärte ANC-Chef Jordi Sanchez.

Unter den Festgenommenen war auch Josep Maria Jové, die rechte Hand von Vize-Regierungschef Oriol Junqueras. Jové war für die Koordinierungsarbeiten bei der Vorbereitung des für den 1. Oktober geplanten Referendums und für das Wirtschaftsressort zuständig.

Die Guardia Civil drang in die wichtigsten Büros der Regionalregierung in Barcelona ein, die Abteilungen für Wirtschaft und Außenpolitik sowie das Büro von Regierungschef Carles Puigdemont, wie ein Sprecher der Regionalregierung sagte. Auf Anordnung eines Untersuchungsrichters in Barcelona seien insgesamt 22 Durchsuchungen vorgenommen worden, sagte ein Sprecher der Guardia Civil.

Bei einem weiteren Einsatz beschlagnahmte die Polizei zudem fast zehn Millionen Stimmzettel, wie das Innenministerium mitteilte. Aus informierten Kreisen verlautete, die Zettel seien in Bigues rund 45 Kilometer nördlich von Barcelona konfisziert worden.

Puigdemont warf der spanischen Regierung vor, "de facto den Ausnahmezustand" über Katalonien verhängt zu haben. Auch seien die Autonomieregelungen für die Region praktisch ausgehebelt, etwa durch die verschärfte Kontrolle der Finanzen, sagte Puigdemont.

Bei einer turbulenten Sitzung des Parlaments in Madrid sagte der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy, mit den drastischen Maßnahmen erfülle er seine "Pflicht". Spaniens Regierung betrachtet die Volksabstimmung als illegal, das Verfassungsgericht in Madrid erklärte das in Barcelona beschlossene Referendumsgesetz für ungültig. Die Generalstaatsanwaltschaft hat bereits Ermittlungen gegen mehr als 700 katalanische Bürgermeister eingeleitet, die das Referendum unterstützen.

Im Regionalparlament in Barcelona haben die Unabhängigkeitsbefürworter seit 2015 die Mehrheit. Viele größere katalanische Städte sind aber gegen eine Loslösung von Spanien. In Umfragen liegen die Gegner einer Abspaltung derzeit mit gut 49 zu 41 Prozent vorn.