Geistiger Giftmüll

Kommentar

08.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:20 Uhr

Mit Adolf Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“ ist es wie mit dem anderen Giftmüll auch. Am schönsten wäre es, man könnte ihn einfach verbieten und er wäre nicht mehr da. Leider funktioniert das nicht, und so müssen Wege gefunden werden, mit dem Zeug möglichst gefahrlos umzugehen.

Bislang konnte, wer sich für Hitlers Ergüsse interessierte, sich jederzeit im Internet bedienen oder sogar auf Originalausgaben zurückgreifen, die immer noch im Handel und in manchen Haushalten kursieren. Schließlich war „Mein Kampf“ bis 1945 in zwölf Millionen Exemplaren gedruckt worden.

Nur das Buch neu zu verlegen war bis zum Jahreswechsel verboten. Wenigstens bei uns – anders als in Großbritannien und in den USA. Mit dem Auslaufen des Urheberrechts aber kann auch in Deutschland jeder Geschäftemacher mit Druckerpresse die Hasspredigten Hitlers massenhaft unters Volk bringen. Um dem zuvorzukommen, das hochsensible Thema nicht dem Markt zu überlassen, erarbeitete das renommierte Institut für Zeitgeschichte in München eine kommentierte Ausgabe von „Mein Kampf“. Darin werden in etwa 3700 wissenschaftlich fundierten Fußnoten, Erklärungen und Richtigstellungen Hitlers wirre Ideen zurechtgerückt.

Politiker und Experten waren sich einig, dass dies der beste Weg sei, mit dem Problem „Mein Kampf“ umzugehen. Das gilt auch für die bayrische Staatsregierung, die die Arbeit an der kritisch-kommentierten Fassung mit 500 000 Euro unterstützte. Denn nur so könnten Hitlers Tiraden entmystifiziert und der „große Unsinn“ in seinem Buch entlarvt werden, erklärte Finanzminister Markus Söder.

Das galt allerdings nur so lange, bis Ministerpräsident Horst Seehofer nach einer Israelreise in Begleitung der früheren Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, eine Kehrtwende vollzog. Jede Unterstützung der kommentierten Ausgabe wurde abgebrochen und stattdessen jeder Neuveröffentlichung des Hitler-Buches Strafverfolgung angedroht. Knobloch wollte dies ausdrücklich auch für kritisch-kommentierte Ausgaben so verstanden wissen.

Allerdings hat der Bundesgerichtshof 1979 entschieden, dass der Besitz, Kauf und Verkauf antiquarischer „Mein Kampf“-Exemplare nicht strafbar sei. Das Buch sei nämlich älter als die Bundesrepublik und könne sich daher als „vorkonstitutionelle“ Schrift nicht gegen deren Verfassungs- und Rechtsordnung richten.

Hitler selbst meinte übrigens: „Ich weiß, dass man Menschen weniger durch das geschriebene Wort als vielmehr durch das gesprochene zu gewinnen vermag, dass jede große Bewegung ihr Wachsen den großen Rednern und nicht den großen Schreibern verdankt.“ Wenigstens da mag dieser Verbrecher einmal recht gehabt haben.