Verkalkuliert

Kommentar

16.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:21 Uhr

Das Kalkül ist nicht aufgegangen. Die Vertagung der Sondierungen über eine mögliche Jamaika-Koalition im Bund auf die Zeit nach der Landtagswahl in Niedersachsen entpuppt sich jetzt als Fehler. Sollte Angela Merkel darauf gesetzt haben, mit dem Rückenwind eines CDU-Wahlsieges in Hannover in die Verhandlungen mit FDP und Grünen in Berlin ziehen zu können, so hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt.

Und die Wählerinnen und Wähler sind von der Hängepartie alles andere als begeistert, würden lieber heute als morgen eine neue Regierung sehen. Mit einer weiteren Wahlschlappe im Gepäck geht die Kanzlerin jetzt in die Jamaika-Gespräche, lässt sich nichts anmerken und gibt sich weiter selbstbewusst. Plötzlich ist eine Landtagswahl nur eine Landtagswahl und kein Stimmungstest für den Bund.

Dass auch FDP und Grüne in Niedersachsen verloren haben, ist nur ein schwacher Trost und macht die bevorstehenden Gespräche nicht einfacher. Die Zeit der Ausreden und des Wartens jedenfalls ist jetzt vorbei. Start frei für die wohl schwierigsten Regierungsverhandlungen in der Geschichte der Bundesrepublik. Doch sind CDU, CSU, FDP und Grüne zum Erfolg verdammt. Mag das Kunststück, die höchst unterschiedliche Programmatik der vier Parteien unter einen Hut und in einen Koalitionsvertrag zu bringen, auch wie die Quadratur des Kreises anmuten. Die Alternative, ein Scheitern der Verhandlungen und Neuwahlen, wäre für alle am Verhandlungstisch ein Desaster und würde vom Wahlvolk sicher nicht belohnt. Die Bereitschaft der SPD, im Notfall doch noch für eine Neuauflage der großen Koalition bereitzustehen, dürfte nach dem Erfolg in Niedersachsen jedenfalls nicht größer geworden sein.