Kommentar
Unter der Obergrenze

12.04.2018 | Stand 02.12.2020, 16:34 Uhr

Die Flüchtlingskrise ist eingedämmt.

Das belegen einmal mehr die Ergebnisse des Ausländerzentralregisters für 2017. Um 160.000 ist die Zahl nichteuropäischer Ausländer gegenüber 2016 gewachsen - deutlich weniger als die angepeilte "Obergrenze" von 200.000. Dies sollte dazu beitragen, die noch immer hitzige Debatte über Flüchtlingspolitik und Familiennachzug zu versachlichen.

Deutlich gestiegen ist indes die Zuwanderung aus den ost- und südosteuropäischen Ländern. Diese wird mittelfristig weit höheres Gewicht haben als der humanitäre Zuzug aus den Krisenregionen der Welt. Die meisten europäischen Zuwanderer sind Polen, Rumänen und Ungarn. Der Brexit war ein Warnsignal dafür, dass die Freizügigkeit innerhalb der EU für große Ängste sorgen kann. Die Rote Karte für die EU ist auch auf das Ohnmachtsgefühl vieler Briten angesichts Abertausender von Gastarbeitern aus den Armenhäusern Europas zurückzuführen, die auf der Insel ihr Glück versuchen. Die Bundesregierung war bei der Osterweiterung klüger, hatte erst nach einer Übergangsphase den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt geöffnet.

Für Alarmismus gibt es mit Blick auf die Ost-Zuwanderer und den vor allem darauf zurückzuführenden Höchststand des Ausländeranteils in Deutschland auch keinen Grund. Auf zahllosen Baustellen würde es ohne die Arbeitskräfte der neuen EU-Mitgliedstaaten nicht vorangehen. Im Gastgewerbe und im Pflege- und Gesundheitsbereich wird jede tüchtige Hand gebraucht. Gleichwohl gilt es, die Entwicklung genau im Blick zu behalten. Armutszuwanderung muss ebenso begrenzt werden wie der Aderlass an gut ausgebildeten Männern und Frauen für die Hauptherkunftsländer. Die große Koalition will EU-weit für bessere Sozialstandards und Löhne sorgen. Fortschritte dabei sind wichtig, damit die EU-Freizügigkeit nicht doch noch eine neue Migrationskrise verursacht.
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