Spaltpilz

Kommentar

27.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:25 Uhr

Das Referendum über die Erdogan-Verfassung ist schon vor dem 16. April zum Spaltpilz für die Türken in Deutschland geworden.

Zwei Wochen lang können sie nun in den türkischen Konsulaten und einigen Wahllokalen ihre Stimme für oder gegen eine Verfassungsänderung abgeben, die die Gewaltenteilung aushebeln und die Demokratie einschränken würde.

Die unsäglichen Nazi-Vorwürfe, mit denen Recep Tayyip Erdogan Deutschland überzogen hat, haben schweren Schaden angerichtet und die Spannungen unter den Türkischstämmigen gefährlich angeheizt. Die einen sehen Erdogan als Opfer der bösen Deutschen, die ihn hier nicht Wahlkampf machen lassen wollen. Die anderen sind betroffen von Erdogans Schamlosigkeit, mit der er beleidigt und provoziert und ihnen selbst damit das Leben in Deutschland schwermacht.

Erst zum dritten Mal hat die Bundesrepublik genehmigt, dass die Türken an einer Abstimmung über die türkische Politik teilnehmen. Schon bei der Präsidentschaftswahl 2014 und der Parlamentswahl ein Jahr darauf war insbesondere Nordrhein-Westfalen deswegen zur Wahlkampfarena geworden. Inzwischen ist festzustellen, dass Deutschland mit seinen 1,4 Millionen Stimmberechtigten endgültig zum türkischen Wahlbezirk geworden ist. Die Möglichkeit, in Deutschland zu wählen, leistet der Desintegration Vorschub. Sie führt dazu, dass Keile in die türkische Gemeinschaft und zwischen Türkischstämmige und Deutsche getrieben werden. In der Zeit nach dem Referendum wird die Frage diskutiert werden müssen, ob das länger hinnehmbar ist.