Sie werden uns fehlen

Kommentar

11.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:20 Uhr

Die Popmusik kommt in die Jahre – und ihre Protagonisten auch. Mick Jagger, Keith Richards, Bob Dylan, Neil Young: Alle haben mittlerweile 70 und mehr Jahre auf dem Buckel.

Das dümmliche bis zynische Postulat, wonach ein wahrer Star gefälligst schnell zu leben und jung zu sterben habe , hat sich also im Wortsinn „überlebt“. Heutzutage spielen alte Menschen Rock ’n’ Roll. Und alte Menschen, ob wilder Rocker oder braver Bürger, sterben eben.

Und dennoch befällt einen, auch wenn es in Zeiten von Krieg, Terror und Klimakatastrophe befremdlich wirken mag, eine ganz eigene Trauer, wenn wieder einer dieser Rebellen von uns gegangen ist: gerade erst der scheinbar unverwüstliche Lemmy Kilmister, jetzt David Bowie, der Pionier, der Grenzgänger, der Außerirdische, der große Geheimnisvolle des Pop. Es sind dies Künstler, deren Lieder das Leben von Millionen Menschen begleitet und geprägt haben. Die immer noch von Abenteuerlust beseelt waren, wo viele ihrer Zeitgenossen längst zu Kuratoren des eigenen Werkes geworden sind. Doch trauert man natürlich nicht nur um sie, sondern mehr noch um die eigene Jugend, jene Tage, da einem „Ace Of Spades“ oder „Heroes“ die Welt bedeuteten.

Gewiss, es wird auch in unserer durchdigitalisierten Epoche, in der sich die Popmusik längst in immer mehr Genres, Subgenres und Subsubgenres atomisiert hat, weiter großartige Künstler geben, die zu entdecken sich lohnt. Zu popkulturellem Pessimismus besteht mithin keinerlei Anlass. Die großen Solitäre indes, die durch ihr Schaffen die Welt verändern, Gemeinschaft stiften, sie werden uns fehlen. Ein Trost: Solange ihre Musik läuft, werden wir nicht heimatlos sein.