Scharfer Rechtsruck

Kommentar

15.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:21 Uhr

Sebastian Kurz ist am Ziel. Der erst 31-jährige ÖVP-Chef wird neuer Kanzler in Österreich, der jüngste Regierungschef in Europa. Doch ist es ein Sieg mit bitterem Beigeschmack: Kurz hat nah an der Grenze zum Populismus mit einer harten Flüchtlingspolitik gepunktet, um der rechtspopulistischen FPÖ das Wasser abzugraben.

Er wollte das Original sein, wenn es darum geht, wer den Zuzug am besten stoppt. Zwar hat er damit die Wahl gewonnen, doch ist es ihm nicht gelungen, die FPÖ kleinzuhalten.

Bei der Regierungsbildung wird Kurz kaum an den Freiheitlichen vorbeikommen. Ein schwarz-blau regiertes Österreich, der rechtskonservative Kurz im Tandem mit den Provokateuren der Freiheitlichen um Hans-Christian Strache: Das ist ein Albtraum für Europa und eine Hiobsbotschaft für Berlin. Kanzlerin Angela Merkel wird sich auf harte Verhandlungen mit dem jungen, starken Mann aus Österreich einstellen müssen. In der Flüchtlingskrise war es Sebastian Kurz, der die deutsche Regierungschefin besonders vor sich hergetrieben hatte, im engen Kontakt mit der CSU.

Bitter ist der Wahlausgang auch für die SPÖ, die nach einem unappetitlichen Wahlkampf abgestürzt ist. Christian Kern kann das Kanzleramt nicht verteidigen, nun bleibt den österreichischen Sozialdemokraten wie ihren deutschen Kollegen nur der Gang in die Opposition. Die große Koalition in Wien hat abgewirtschaftet, der Frust der Wähler hat sich in einem scharfen Rechtsruck entladen.