Opfer der Willkür

Kommentar

11.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:22 Uhr

Gerade erst hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu Entspannungssignale gesendet und eine Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland angekündigt, da wird einmal mehr deutlich, was von solchen Lippenbekenntnissen zu halten ist. Erst die drakonische Forderung der Staatsanwaltschaft von 15 Jahren Haft für den Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner, weil er in Istanbul einen Vortrag gehalten hat.

Jetzt der Prozess gegen die Journalistin Mesale Tolu aus Neu-Ulm, die seit Monaten mit ihrem zweijährigen Sohn Serkan in Untersuchungshaft sitzt. Auch ihr drohen 15 Jahre Haft.

Es sind nur zwei Beispiele von etlichen inhaftierten Deutschen, die Opfer der Willkür und der politisch gesteuerten Justiz in der Türkei sind. Längst hat sich Ankara unter Präsident Erdogan von der Rechtsstaatlichkeit verabschiedet. Verängstigte Richter und Staatsanwälte, die die Säuberungen nach dem gescheiterten Putschversuch überstanden haben, sind nur noch willfährige Helfer des Machthabers. Sie leisten Beihilfe zur Geiselnahme, machen sich schuldig.

Viel zu lange hat sich die Bundesregierung in Zurückhaltung geübt, hat aus falscher Rücksichtnahme und in Sorge um den Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei vor klaren Reaktionen zurückgeschreckt. So wichtig der diplomatische Beistand für die politischen Gefangenen wie Mesale Tolu, Denis Yücel, Peter Steudtner und andere auch ist, die Bundesregierung muss deutlich mehr tun, den Druck auf Ankara, vor allem auch wirtschaftlich gemeinsam mit den europäischen Partnern, erhöhen. Ist die Türkei wirklich ernsthaft an einer Verbesserung der Beziehungen zu Berlin interessiert, muss sie die Geiselnahmen und die Willkür von Polizei und Justiz schnell beenden.