Neue Eskalationsstufe

Kommentar

29.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:24 Uhr

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan muss unter Paranoia leiden. Nicht genug damit, dass er in Deutschland massenhaft mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung ausspionieren lässt. Nein, auch auf deutsche Volksvertreter setzt er seine Spitzel an, bricht damit das nächste Tabu.

Dass Erdogan die Bundestagsabgeordnete und Chefin der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, Michelle Müntefering, und eine Berliner CDU-Abgeordnete ausforschen lässt, ist eine neue Stufe der Eskalation und widerspricht jeder Form von zwischenstaatlichem Respekt.

Der türkische Präsident scheint den Bezug zur Realität verloren zu haben, wenn er mit derartig groben Verstößen gegen Recht und Anstand das deutsch-türkische Verhältnis zersetzt. Das kann die Bundesregierung nicht hinnehmen. Kanzlerin Angela Merkel muss Erdogan in die Schranken weisen und ihm klarmachen, dass er eine Grenze zu viel überschritten hat.

Wenn die Regierung nun auf die Ermittlungen des Generalbundesanwalts verweist, reicht das nicht mehr aus. Natürlich gilt es, die Hintergründe der Spitzel-Offensive gegen alle, denen Kontakte zur Gülen-Bewegung nachgesagt werden, gründlich aufzuklären. Aber viel zu lange ließ der deutsche Verfassungsschutz, in dessen Zuständigkeit die Spionageabwehr fällt, die Erdogan-Spione gewähren. Das war ein fatales Signal an Ankara.