Kranke Arbeitswelt

Kommentar

14.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:30 Uhr

Früher litten die Menschen unter Zwölf-Stunden-Schichten, dem Lärm und Gestank in riesigen Fabriken und unter harter, körperlicher Arbeit. Heute erledigen Roboter die schwersten Tätigkeiten, ergonomische Stühle stabilisieren die Rücken der Republik.

Also heile Arbeitswelt?

Mitnichten. Es hat sich eine andere Gefahr eingeschlichen - und die heißt Arbeitsverdichtung. Die Arbeit wird immer mehr, viele Chefs erwarten von ihren Mitarbeitern Überstunden und zu allen Tages- und Nachtzeiten telefonisch oder per E-Mail erreichbar zu sein. Sogar im Urlaub. Kurzfristig mag das für die Unternehmen vorteilhaft sein. Langfristig jedoch rächt es sich, wenn die Beschäftigten irgendwann zusammenbrechen: Laut AOK-Bericht häufen sich bei psychischen Erkrankungen doppelt so viele Fehltage an als bei Kollegen, die wegen anderer Leiden daheimbleiben.

Stark gefährdet sind nach Angaben der AOK Frauen. Bei ihnen sind psychische Krankheiten der häufigste Grund für Fehltage. Und das ist keine Überraschung. Sicherlich, die Situation von Arbeitnehmerinnen hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Und doch besteht dringend Handlungsbedarf. Denn immer noch sind es die Frauen, die sich vorwiegend um Kinder, pflegebedürftige Angehörige und den Haushalt kümmern. Deswegen den Job aufgeben, kommt bei vielen Familien schon allein aus finanziellen Gründen nicht infrage - von der Selbstverwirklichung der Frau oder Alleinerziehenden mal ganz abgesehen.

Die Politik muss Modelle finden, dass Frauen nicht permanent unter dieser Mehrfachbelastung leiden. Und auch die Unternehmen sind gefragt - mit flexiblen Arbeitszeitmodellen beispielsweise.

Bei vielen Chefs ist nämlich leider immer noch nicht angekommen, dass die Rechnung nicht aufgeht, wenn man das Letzte aus den Menschen herauspresst. Glückliche und gesunde Mitarbeiter leisten die beste Arbeit. Das gilt für Männer und für Frauen.