Konkurrenz zur Nato

Kommentar

13.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:13 Uhr

Deutschland und 22 weitere EU-Staaten haben in Brüssel eine Europäische Verteidigungsunion aus der Taufe gehoben - ein Projekt mit großen Chancen, aber auch mit Risiken und Nebenwirkungen. Natürlich ist es geboten, dass Europa eine Antwort auf US-Präsident Donald Trump und seine Unberechenbarkeit gibt, die Verteidigung stärker in die eigene Hand nimmt und die Abhängigkeit von den USA verringert.

Wenn es eine ernste Krise in der Nachbarschaft gibt, muss die EU einsatzbereit sein, darauf verweist Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu Recht.

Doch wird der Aufbau einer Verteidigungsunion nicht zu erreichen sein, ohne die Nato zumindest teilweise zu schwächen. Doppelstrukturen werden aufgebaut, schwierige Abstimmungen sind programmiert. Und mehr als fraglich ist, ob die EU-Staaten die Nato personell und finanziell im gleichen Ausmaß stützen, wenn sie zur selben Zeit in die EU-Verteidigung investieren müssen.

Mehr EU und weniger Nato - damit wäre am Ende nichts gewonnen. Unbestreitbar ist der Vorteil, den eine gemeinsame Beschaffung von Militärsystemen bringt. Bis zu 100 Milliarden Euro kosten die mangelnde Kooperation und die Entwicklung unterschiedlicher Panzer, Hubschrauber oder Kampfjets. Hier birgt der Gemeinschaftsansatz enormes Sparpotenzial.

Doch darf die Verteidigungsunion nicht die Nebenwirkung haben, dass die EU ihre eigentlichen Ziele aus den Augen verliert: das Wohl ihrer Bürgerinnen und Bürger, gute Lebensverhältnisse in allen Mitgliedsstaaten. Wenn sich tatsächlich viel Geld in der Verteidigung sparen lässt, sollte die EU die Chance nutzen, sich auch finanziell stärker um die anderen wichtigen Großbaustellen von der Migration und Fluchtursachenbekämpfung bis zum Anti-Terror-Kampf zu kümmern.