Die Stunde der SPD

Kommentar

22.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Zeiten ändern sich und wer nicht reagiert, verliert. Dass der SPD-Chef Martin Schulz am Abend der verlorenen Bundestagswahl den Marsch seiner Partei in die Opposition ankündigte, war klug und richtig. Denn dort hätten die Sozialdemokraten die Möglichkeit, zu sich selbst zu finden und vor allem sich nach außen wieder als Arbeitnehmerpartei zu präsentieren - mit mehr sozialer Gerechtigkeit als Kernanliegen.

Nachdem CDU, CSU, FDP und Grüne - oft als die vier Parteien der Besserverdiener beschimpft - ihre Sondierungsgespräche gegen die Wand gefahren und sich als koalitionsunfähig erwiesen haben, sieht die Sache aber anders aus. Jetzt ist die SPD gefordert, denn, da hat der Bundespräsident recht, wer zur Wahl antritt, muss auch bereit sein, hinterher Verantwortung zu übernehmen.

Zumal die Situation auch eine große Chance bietet. Schließlich ist eine koalitionswillige SPD die einzige Möglichkeit für Angela Merkel zu einer stabilen Regierung zu kommen - ohne das Risiko von Neuwahlen. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles liegt völlig falsch, wenn sie beteuert, die Sozialdemokraten seien nicht der Notnagel für die CDU-Chefin Merkel. Genau das sind sie nämlich. Und dieser Notnagel hat seinen Preis. Wie hoch er ausfällt, können SPD-Verhandler in Sondierungsrunden festlegen. Wenn CDU oder CSU ihn nicht akzeptieren - dann eben nicht. Aber zu versuchen, ein Höchstmaß für die Partei und die arbeitenden Menschen, die Schulz doch angeblich so am Herzen liegen, herauszuholen, ist unumgänglich. Sollte das gelingen, dann muss die SPD in einem zweiten Schritt ihren Erfolg diesmal aggressiv nach außen tragen. Es kann nicht sein, dass die Partei wie in der letzten großen Koalition beispielsweise den Mindestlohn durchsetzt und die Meriten dafür die ewig bremsende Kanzlerin einheimst.

Und wo bleibt die Zeit für die Neuorientierung der Partei? Das müssen Martin Schulz und die Seinen jetzt eben sehr schnell hinbekommen. Rechte Sozialdemokraten, die sich stets aufführen wie Unternehmenslobbyisten, werden sie wohl nicht für das Ziel soziale Gerechtigkeit gewinnen. Aber das hätten sie in vier Jahren auch nicht.