Herkulesaufgabe

Kommentar

27.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr

Vor Andrea Nahles steht eine Herkulesaufgabe. Aber wenn jemand der SPD in der Opposition zu neuem Mut und neuer Orientierung verhelfen kann, dann ist es die 47-jährige Rheinland-Pfälzerin. Mit gut 90 Prozent wurde sie zur Fraktionschefin gewählt.

Sie ist nun die starke Frau der Genossen und kann womöglich Parteichef Martin Schulz schon bald in den Schatten stellen.

Juso-Vorsitzende, Generalsekretärin und erfolgreiche Bundesarbeitsministerin - längst hat sich die einstige Chefin der SPD-Linken aus dem Lagerdenken befreit. Sie kennt die Partei und ihre verwundete Seele genau, ist eine scharfe Analytikerin und hat das Temperament, um wieder Schwung in den Laden zu bringen.

Anders als Martin Schulz, der nach dem Wahldebakel verkniffen und angefasst wirkt, ist Nahles auch in der Stunde der Not nicht ihr derb-herzliches Lachen abhandengekommen. Um die Sozialdemokraten wiederzuerwecken, wird es aber nicht reichen, Kanzlerin Angela Merkel und die künftige Unions-geführte Regierung zu attackieren, ihr "in die Fresse" zu hauen, wie Nahles ankündigte. Klare Kante ist angesagt, vor rüdem Vokabular sollte sich die Oppositionsführerin aber tunlichst hüten, will sie sich nicht auf das Niveau der Rechtspopulisten begeben.

Nur, wenn es den Genossen in der Opposition gelingt, einen glaubwürdigen Zukunftsentwurf zu entwickeln und ihren Platz zwischen Linkspartei und Union zu definieren, werden sie in vier Jahren zurückkommen. Den Wählern, die in alle Richtungen davongezogen sind, muss die Partei ein glaubwürdiges Angebot machen. Der Weg dorthin wird steinig und mühsam, der Totalabsturz ist nicht ausgeschlossen. Nahles ist kein neues Gesicht in der SPD. Ob es ihr gelingt, trotzdem den Neuanfang zu verkörpern, wird sie jetzt beweisen müssen.