Europa muss Stärke zeigen

Kommentar

19.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:37 Uhr

Wie in jedem Jahr war München für ein Wochenende im totalen Ausnahmezustand - obwohl die Hauptperson der Sicherheitskonferenz gar nicht anwesend war: US-Präsident Donald Trump blieb nach viel Kritik an seiner Person aus den europäischen Reihen lieber zu Hause und ließ sich in Florida von seinen Anhängern feiern.

Umso mehr wurde jedes Wort der amerikanischen Delegation auf die sprichwörtliche Goldwaage gelegt. Schließlich ging es in der bayerischen Landeshauptstadt um nicht weniger als die Frage: Ist "der Westen" am Ende? Antworten erhoffte man sich vor allem von US-Vizepräsident Mike Pence. Und von ihm waren viele wohlklingende Worte zu hören: "Wir werden zu Europa halten, wir stehen zu unseren Verpflichtungen, Ihr Erfolg ist unser Erfolg." Das tat gut. Dennoch: Entwarnung gibt es nicht. Mike Pence hat zwei Gesichter. Lächelnd streichelt er die verunsicherten europäischen Seelen, um die Partner anschließend mit noch größerem Nachdruck an ihre finanziellen Verpflichtungen zu erinnern, die eine Mitgliedschaft in der Nato mit sich bringt.

Und der Republikaner hat Recht: Die Mitglieder des Militärbündnisses haben sich im Jahr 2014 in Wales dazu verpflichtet, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Diese Forderung der USA ist also keineswegs neu. Doch haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Minister Ursula von der Leyen sowie Sigmar Gabriel gegenüber Pence mit beeindruckender Einigkeit Kontra gegeben, indem sie einen umfassenden Sicherheitsbegriff in die Debatte brachten. Die Verengung auf Militärausgaben nannte Merkel mit einiger Chuzpe "kleinlich", während Gabriel daran erinnerte, dass Deutschland milliardenschwere Ausgaben für die Flüchtlinge auch deshalb zu schultern hat, weil mancher Militäreinsatz - vor allem solche unter US-Führung - danebengegangen ist. Ein Seitenhieb gegen den prominenten Gast aus Washington.

Es wird maßgeblich auf die Bundesregierung ankommen, die Debatte über den europäischen Nato-Beitrag mit den USA zu führen. Merkel und Gabriel haben sich als gutes Team präsentiert, der neue Außenminister hat seine Feuertaufe bestanden. Auch im Umgang mit dem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow, der auf beeindruckende Weise gezeigt hat, wie weit Russland und der Westen voneinander entfernt sind.

Die EU ist mit zwei Großmächten konfrontiert, deren Anführer sich ihre eigenen Realitäten schaffen. Lawrows Abgesang auf die Nato und den Westen insgesamt ist allerdings verfrüht. In München war der Wille der Europäer zu spüren, mehr Verantwortung zu übernehmen. Und ausgerechnet das republikanische Urgestein John McCain - ein Kriegsveteran ersten Ranges und Volksheld in den Staaten - ist ein beruhigendes Beispiel dafür, dass die USA ihre Partner und den Multilateralismus noch nicht abgeschrieben haben.