Enttäuschende Rede

Kommentar

22.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

Sieben Monate liegt die letzte Regierungserklärung der Kanzlerin zurück. Allerhöchste Zeit wäre es gewesen für klare Signale von Angela Merkel, wie es weitergehen soll mit Deutschland und der Europäische Union, dem eigentlichen Thema ihres Auftritts vor dem Bundestag.

Doch erneut bleibt die Kanzlerin die erhofften Antworten schuldig, drückt sie sich vor klaren Positionen.

Ab heute wird beim EU-Gipfel in Brüssel über den Gemeinschaftshaushalt nach dem Brexit gestritten. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD höhere Beiträge für die EU vereinbart. Was das nun für die Deutschen bedeutet, dazu kam von der Kanzlerin gestern kein einziges Wort.

Merkel liefert damit eine Steilvorlage für die AfD und deren Warnungen, in Brüssel werde deutsches Steuergeld verschleudert. Auch mit der Drohung, den Osteuropäern Mittel zu kürzen, sollten sie keine Flüchtlinge aufnehmen, macht sich die Kanzlerin nur angreifbar und provoziert einen Riesenstreit mit Victor Orban und weiteren Politikern, den sie kaum unbeschadet überstehen dürfte.

Wie sich Merkel das künftige Verhältnis zu Großbritannien vorstellt, was sie von den Reformvorschlägen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron hält, auch dazu hüllt sich die Kanzlerin vor dem Parlament in Schweigen und enttäuscht die Erwartungen. Von ihren europäischen Reden war die gestrige eine der schwächsten. Der Verweis darauf, dass die neue große Koalition noch nicht steht, kann die Worthülsen und Floskeln nicht mehr entschuldigen.

Deutschland werde es auf Dauer nur in einem starken Europa gutgehen, verkündet die Kanzlerin zu Recht. Dann muss sie aber auch erklären können, wie sie sich die Zukunft der EU vorstellt und wie die Gemeinschaft angesichts der Krisen und Bedrohungen auf der Welt zusammengehalten werden kann.