Ein überfälliges Signal

Kommentar

19.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:20 Uhr

Zuckerbrot und Peitsche - mit dieser Taktik will Kanzlerin Angela Merkel auf dem EU-Gipfel die Türkei zur Räson bringen. Die Vorbeitrittshilfen werden gekürzt, weil Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdogan die Rechtsstaatlichkeit mit Füßen tritt, deutsche Staatsbürger willkürlich ins Gefängnis sperrt.

Zugleich soll das Land aber drei Milliarden Euro zusätzlich zur Fortführung des Flüchtlingsdeals erhalten.

Seit Langem wird über den Stopp der Gelder debattiert, die die Türkei aus Brüssel erhält, um sich auf den Beitritt vorzubereiten. Da die Bemühungen, die EU-Kriterien zu erfüllen, unter Präsident Erdogan längst eingestellt und ins Gegenteil verkehrt worden sind, ist die Kürzung der Mittel ein lange überfälliger Schritt und ein deutliches Signal, dass sich die EU nicht länger an der Nase herumführen lassen will.

Nach dem Stopp der Gespräche über eine Ausweitung der Zollunion wäre die Kürzung der Vorbeitrittshilfen der zweite Sanktionsschritt, der Erdogan und die Türkei träfe. Zugleich soll er wohl davon ablenken, dass sich Merkel an ihre Ankündigung aus dem TV-Duell mit Martin Schulz, in Brüssel auf einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche zu drängen, nicht länger gebunden fühlt. Erste Sondierungen hatten ergeben, dass es im Kreise der EU-Partner keine Mehrheit dafür geben wird, Ankara die Tür zuzuschlagen.

Selbst von einer Aussetzung der Verhandlungen, was ohne Einstimmigkeit zu erreichen wäre, will die Kanzlerin nun nichts mehr wissen. Ihre Ankündigung vor Millionenpublikum entpuppt sich damit als Wahlkampfmanöver. So jedenfalls wird es nicht gelingen, die EU zu einer wirklich konsequenten Haltung gegenüber Erdogan zu bringen, ihm die Rote Karte zu zeigen. Zu groß ist wohl noch immer die Angst, der Machthaber könnte seine Grenzen öffnen und die Flüchtlinge wieder Richtung EU schicken.