Ein Feigenblatt

Kommentar

23.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:45 Uhr

Hat wirklich jemand angenommen, die AfD-Spitze werde ihrem prominentesten Hetzer Björn Höcke den Stuhl vor die Tür stellen? Nein, damit hätte die Partei ihre abermalige Spaltung riskiert. Denn was der Thüringer Landesvorsitzende in seiner haarsträubenden Dresdener Rede propagiert hat, ist in der AfD keineswegs nur eine Einzelmeinung.

Das angeblich leidenschaftliche Plädoyer von Parteichefin Frauke Petry für Höckes Ausschluss ist nicht sehr glaubwürdig. Sie ist schließlich selbst der Ansicht, dass man deutschen Schülern genug Holocaust-Gedenken zugemutet hat und dass der Nazi-Begriff völkisch wieder in unseren Sprachgebrauch gehört. Sie hat die einstige Anti-Euro-Partei nach rechts gerückt.

Das nun eröffnete Parteiordnungsverfahren und der Beschluss, Höcke habe der Partei geschadet, sind ein Feigenblatt. Die AfD-Führung grenzt sind nicht wirklich nach Rechtsaußen ab. Anders als etwa Marine Le Pen in Frankreich, mit der zusammen sich Petry am Wochenende in Koblenz hat feiern lassen. Die Front-National-Chefin schreckte 2015 nicht davor zurück, ihren Vater Jean Marie Le Pen wegen seines rechtsextremen Geredes aus der Partei zu werfen, die er aufgebaut und der er viele Jahre vorgestanden hat. Sie hat begriffen, dass sie nur so bürgerliche Wähler längerfristig an sich binden kann.

Die AfD vermeidet diese Distanzierung bewusst. Unumwunden erklärt etwa Jörg Meuthen, Fraktionschef in Stuttgart, das breite Meinungsspektrum solle erhalten bleiben. Weshalb Forderungen aus anderen Parteien, wenigstens Teile der AfD durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen, durchaus ihre Berechtigung haben. Die "Alternative" ist keine normale Partei rechts von der Union. Der Tabubruch ist Programm, sie übertritt bewusst immer wieder Grenzen und fischt am rechten Rand. Jeder, der erwägt, die AfD zu wählen, sollte sich fragen, ob seine Stimme richtig ist bei einer Partei, in der ein Björn Höcke Platz hat.