Ein Balanceakt

Kommentar

17.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat sich viel vorgenommen. Sie möchte der Bundeswehr einen neuen Traditionserlass verordnen. Zumindest hat sie erst einmal eine Debatte angestoßen, und dagegen ist nichts einzuwenden.

Im Gegenteil. Der Fall Marco A. hat gezeigt, dass es bei der Truppe ein Problem gibt. Auch die Vorfälle beim Kommando Spezialkräfte sind besorgniserregend. Gerade bei Angehörigen einer Eliteeinheit darf es keinen Zweifel an ihrer demokratischen und rechtsstaatlichen Gesinnung geben.

Doch auch die nun bekannt gewordenen Ereignisse sind kein Grund, die Parlamentsarmee unter Generalverdacht zu stellen. Der Bildersturm, den die Ministerin angeordnet hat, wurde zu Recht kritisiert. Es ist nicht damit getan, Wehrmachtsdevotionalien aus den Stuben zu verbannen und Kasernen umzubenennen. Die Bundeswehr vollzieht bei ihrer Distanzierung von Hitlers Armee einen Balanceakt. Denn sie baut ihre Tradition auch auf die Verschwörer vom 20. Juli 1944 auf. Sie werden als Vorbilder akzeptiert, obwohl sie erst handelten, als die militärische Niederlage unausweichlich erschien.

Auch darüber hinaus gibt es gute Traditionslinien, die nicht gekappt werden können. Wenn man zum Beispiel an frühere Wehrmachtsoffiziere wie Ulrich de Maizière oder Adolf Heusinger denkt, die im Wissen um die Fehler der Vergangenheit die Bundeswehr maßgeblich mit aufbauten. Es wäre erfreulich, wenn der Umgang mit Tradition am Ende des Diskussionsprozesses ehrlicher wäre. Die "Säuberung" der Stuben, während Soldaten des Wachbataillons Staatsgäste mit präsentiertem Wehrmachtskarabiner empfangen - das passt nicht zusammen.