Die Stunde Europas

Kommentar

22.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:46 Uhr

Amerika steht unter Schock, und auch in Europa ist das Entsetzen groß. Der neue US-Präsident Donald Trump knüpft im Weißen Haus dort an, wo er im Wahlkampf aufgehört hatte. Er droht Europa, geht auf die Medien los und lässt gleich zum Auftakt im Oval Office schlimme Befürchtungen wahr werden.

Donald Trump bleibt sich treu. Wer darauf gesetzt hatte, dass der Wahlkampf-Albtraum mit dem Amtsantritt beendet sein würde, sieht sich getäuscht. America first, Politik als Deal, als Geschäft, bei dem es nur möglichst viel Profit zu machen gilt, koste es, was es wolle. Gut, dass jetzt Hunderttausende mobilmachen, in den USA, aber auch hierzulande auf die Straße gehen und protestieren. Doch ist es gerade in Amerika ein spätes Erwachen, hätten die machtvollen Demonstrationen wie der "Woman's march on Washington" vor der Wahl doch womöglich noch mehr bewirkt.

Mag die Unsicherheit auch groß sein, so ist jetzt nicht die Zeit für apokalyptische Zeitenwenden-Szenarien. Allein vor unruhigen Zeiten zu warnen hilft nicht weiter. Die drohende Krise stellt auch eine Chance dar. Europa muss mit Respekt, aber vor allem auch mit dem notwendigen Selbstbewusstsein auf den neuen starken Mann im Weißen Haus reagieren. Nur wenn die Europäische Union jetzt zusammenrückt, sich nicht auseinanderdividieren und weiter spalten lässt, kann sie erfolgreich bestehen. Die Gemeinschaft wird mehr Verantwortung übernehmen und mehr für ihre innere und äußere Sicherheit leisten müssen, sie muss die Herausforderung durch die Migration bewältigen und die rechtspopulistische Gefahr entschlossen eindämmen. Das Europa von heute bedeutet Freiheit und Frieden. Eine Rückkehr in die Zeit von Nationalismus und Kriegen kann auch nicht im Interesse Amerikas liegen.