Die Logik des Terrors

Kommentar

23.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:04 Uhr

Der Terror ist zurückgekehrt. Mit 22 unschuldigen Opfern ist der Anschlag von Manchester die schlimmste Terrortat in Großbritannien seit dem Angriff von vier Selbstmordattentätern auf die U-Bahn von London im Juli 2005. Auch seitdem hat es immer wieder Anschläge gegeben. Doch dieser Bombenanschlag hat noch einmal eine neue Qualität. Denn zum Ziel hat sich der Terrorist ein Popkonzert gewählt, das überwiegend von Teenagern besucht wurde. Wer ist so krank, unter Kindern ein Blutbad anrichten zu wollen?

Die kurze Antwort: der sogenannte "Islamische Staat" (IS), die Terrormiliz, die die Verantwortung für die Bluttat übernahm. In ihrem Internetmagazin "Rumiyah" vom Mai hatte der IS die Parole ausgegeben, Anschläge auf Konzerthallen auszuführen: Dort könne man "die Ungläubigen zusammentreiben und sie massakrieren". Ein Massaker hat der Selbstmordattentäter in Manchester tatsächlich leider anrichten können. So pervers die Untat auch ist, so folgt sie doch der unbarmherzigen Logik des Terrorismus: je schrecklicher, je unmenschlicher der Anschlag, desto wirksamer der Effekt.

Nun sind die Briten eine Nation, die mit dem Terror eine lange Erfahrung haben. Seit den 70er-Jahren sah sich das Königreich einer Bombenkampagne durch die nordirische Untergrundorganisation IRA ausgesetzt, und seitdem haben weder El Kaida noch der IS Großbritannien von ihren Listen der Angriffsziele gestrichen. Premierministerin Theresa May hob darauf ab und unterstrich den britischen Widerstandsgeist angesichts nationaler Bedrohungen in ihrer Ansprache in der Downing Street. Man habe Konflikt und Terrorismus jahrelang ausgehalten, man werde sich niemals davon unterkriegen lassen. Diese Art von Mut machender Resolutheit kann die Nation zurzeit gut brauchen.

Die Sicherheitskräfte müssen immer erfolgreich sein, während die Terroristen nur einmal Glück brauchen. Die britische Polizei und die diversen Nachrichtendienste wie MI5 und der Abhördienst GCHQ haben in der Vergangenheit einen Anschlag nach dem anderen verhindern können. Diesmal konnte der Attentäter durchs Netz schlüpfen. Sicherheitsexperten melden, dass das Tempo bei der Terrorabwehr in den letzten Monaten deutlich erhöht wurde, mit durchschnittlich rund einer Festnahme pro Tag.

Nach der Messerattacke im März hatte die Polizei davor gewarnt, dass weitere Terrortaten fast unvermeidbar wären. Doch man nahm an, dass es sich zumeist um "low tech"-Anschläge handeln würde, wo ein Auto zur Waffe wird oder Messer eingesetzt werden. Der Selbstmordanschlag von Manchester wird Alarmglocken schrillen lassen. Hier handelt es sich nicht um Amateure, warnen Sicherheitsexperten. Einen Sprengsatz herzustellen braucht Expertise.

"Wir können die perverse Psyche nicht verstehen", sagte Premierministerin May, "die einen Raum voller junger Kinder nur als eine Gelegenheit zum Blutbad sieht." Wie sie sind die Briten erfüllt von schierem Entsetzen. Viele Eltern mögen jetzt zweimal überlegen, ob sie ihre Kinder zu einem Konzert gehen lassen. Doch zugleich darf man davon ausgehen, dass die Briten auch diesmal wieder auf den Terror antworten, wie sie es immer getan haben: Sich einschüchtern zu lassen, hieße, ihn siegen zu lassen.