Die Geister, die er ruft

Kommentar

20.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:37 Uhr

Bisher war Martin Schulz vor allem eine Projektionsfläche. Sein Erfolg in den Umfragen hat viel damit zu tun, dass er innenpolitisch noch ein unbeschriebenes Blatt ist. Dass er nun Fehler bei der Agenda 2010 einräumt und die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I propagiert, ist ein Paukenschlag.

Strategisch steht dahinter das Ziel, die Parteilinke, die sich an Gerhard Schröders Reformpolitik abgearbeitet hat, mitzunehmen und den Schulterschluss mit den Gewerkschaften zu besiegeln.

Kommando zurück? Oder will er es bei Korrekturen im Detail belassen? Wahnsinnig konkret ist Schulz nicht geworden, was seine Pläne für das Arbeitslosengeld I angeht. Doch hat er Erwartungen geweckt und läuft Gefahr, die Geister, die er ruft, nicht mehr loszuwerden. Macht der designierte SPD-Chef die Generalabwicklung der Agenda 2010 zu seinem Ziel, bekommt er ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ist die aktuell so günstige Arbeitsmarktentwicklung doch zu einem großen Teil den Schröder'schen Reformen zu verdanken, worauf die Genossen stolz sein sollten. Belässt er es bei einigen Mini-Änderungen, ist Enttäuschung in den eigenen Reihen programmiert.

So birgt es auch Gefahren für Schulz, wenn er nun gezwungen sein wird, Farbe zu bekennen. Peer Steinbrück, der letzte SPD-Kanzlerkandidat, ist auch daran gescheitert, dass er in Zeiten von Prosperität und immer neuen Arbeitsmarktrekorden im Wahlkampf vor allem auf soziale Gerechtigkeit gesetzt hat. Erbittert wehrt sich Schulz gegen den Vorwurf, die Lage in zu düsteren Farben zu zeichnen.

Tatsächlich zielt er auf Wähler, die sich von der SPD und den anderen etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen, die von Abstiegsängsten geplagt sind. Von Gerhard Schröder könnte er lernen, dass soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft zwei Seiten einer Medaille sind. Was der Sozialstaat ausgibt, muss erwirtschaftet werden. Das sozialdemokratische Programm für Arbeitsmarkt und Rente dürfte teuer werden. Schulz tut gut daran, im Wahlkampf deutlich zu machen, woher er das Geld nehmen will.