Der Maßlose

Kommentar

20.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:37 Uhr

Das wird Recep Tayyip Erdogan gar nicht gefallen. Statt dass der deutsche Staatsbürger Dogan Akhanli kurzerhand an die Türkei überstellt wird, um dort in einem Kerker zu verschwinden, kann der sich jetzt in Spanien in einem rechtsstaatlichen Verfahren gegen alle Anschuldigungen wehren.

Und wenn etwas dem türkischen Präsidenten Erdogan nicht gefällt, ist vorhersehbar, was dann passiert: Er wird toben. Inzwischen liefert er sich mit US-Präsident Donald Trump geradezu einen Wettkampf um den Titel des flegelhaftesten westlichen Staatenlenkers.

Und auch das Ziel von Erdogans Zorn liegt auf der Hand: neben der spanischen Justiz einmal mehr der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel. Denn der hat offensichtlich in einer Blitzaktion alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Akhanli vor dem Zugriff Ankaras zu retten. Denn was bislang gegen den Schriftsteller von türkischer Seite vorgebracht wurde, klingt eher absurd. Allerdings steht fest, dass Akhanli in seiner Arbeit den Völkermord an den Armeniern thematisiert hat - den wohl schlimmsten Schandfleck in der türkischen Geschichte. Außerdem setzt er sich für die Aussöhnung zwischen Türken und Kurden ein. In der derzeit völlig überdrehten Stimmung im türkischen Regierungsapparat gilt das schon als Indiz für Hochverrat und Putschgelüste.

Außenminister Gabriel hatte also guten Grund, gegen eine schnelle Auslieferung Akhanli zu intervenieren. Dass er damit seinen Status als Hassobjekt Erdogans weiter verfestigt, wird der Politiker - ohnehin eine der erfreulichsten Gestalten in der derzeitigen Bundesregierung - in Kauf nehmen. Erst am Samstag hatte Erdogan in einer vom Fernsehen übertragenen Rede eine scharfe persönliche Attacke gegen den deutschen Minister geritten.

"Wer sind Sie, dass Sie den Präsidenten der Türkei ansprechen", hatte er geschäumt. Und das nur, weil Gabriel ebenso wie zahlreiche andere deutsche Politiker den Aufruf Erdogans an türkischstämmige Wähler in Deutschland kritisiert hatte, bei der Bundestagswahl Union, SPD und Grüne zu boykottieren.

Offensichtlich hat der türkische Präsident, verwöhnt von seinem Status in seinem Heimatland, jedes Maß verloren. Nur so erklärt sich auch, dass er inzwischen europaweit Kritiker unter seine Fuchtel bekommen will. Eine Frage aus Erdogans wirrer Fernsehansprache lässt sich immerhin abschließend beantworten. "Wie alt sind Sie", hatte er an Gabriel gerichtet gefragt. Der Minister wird im September 58. Erdogan selbst ist übrigens 63 Jahre alt. Na und? Was jetzt, Herr Erdogan