Fragwürdige Entscheidung

17.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:47 Uhr

"Das Ergebnis des Verfahrens mag der eine oder andere als irritierend empfinden", sagte gestern Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle, nachdem das Bundesverfassungsgericht abgelehnt hatte, die NPD zu verbieten. Dazu hat "der eine oder andere" auch allen Grund.

Denn die Karlsruher Richter erklären zwar ohne Umschweife die rechtsradikale NPD für verfassungsfeindlich, weil sie das Ziel hat, unsere demokratische staatliche Ordnung zu zerstören und stattdessen eine ethnisch definierte "Volksgemeinschaft" zu errichten. Eine "Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus" erkennen die Richter deshalb. Und sie gehen noch weiter: Das einschüchternde oder kriminelle Verhalten von NPD-Mitgliedern - etwa in ihren Hochburgen in Ostdeutschland - könne tatsächlich Besorgnis um die Freiheit des politischen Prozesses oder Angst vor gewalttätigen Übergriffen auslösen.

Übersetzt heißt das, die NPD ist ein Feind unseres Staates, und NPD-Mitglieder üben Terror aus. Aber der Organisation deshalb die Privilegien einer politischen Partei wegnehmen? Das will das Bundesverfassungsgericht dann doch nicht. Denn, so die Begründung, das Kind ist ja noch gar nicht in den Brunnen gefallen, die NPD hat keine Mehrheit und bildet nicht die Regierung.

Sollte allerdings wider Erwarten eine gravierende Änderung eintreten, sprich, die NPD vor der Machtübernahme stehen, dann käme ein Verbot aber durchaus in Betracht - allerdings nur, wenn es dann noch nicht zu spät ist.

Tatsächlich sind die Nationaldemokraten derzeit ein bedeutungsloser Haufen, aber nicht weil der braune Sumpf in Deutschland ausgetrocknet wäre. Ganz im Gegenteil, Antidemokraten, Rassisten und Fremdenhasser sehen sich im Aufwind. Nur glauben sie sich inzwischen bei den Rechtspopulisten besser aufgehoben. AfD, Pegida, Der Dritte Weg oder Die Rechte haben die NPD trotz ihrer Bündnisse mit neonazistischen Kameradschaften an die Wand gedrückt.

Braune Gesinnung lässt sich nicht verbieten, aber sobald sie die Straße beherrschen will, muss ein wehrhafter Rechtsstaat den Schreiern zeigen, dass ihnen das großen Ärger beschert. Zu sagen, noch beherrschen sie ja nicht und das wird wohl auch nie passieren, ist der falsche Weg. Deshalb kann eine Partei, die die Regeln einer freiheitlichen Demokratie entschieden ablehnt, nicht als Mitspieler im politischen Prozess einer freiheitlichen Demokratie geduldet werden.

Immerhin gab das Verfassungsgericht der Politik einen guten Rat mit auf den Weg. Man könnte doch einer verfassungsfeindlichen Partei wenigstens den staatlichen Geldhahn zudrehen - die NPD hat im Jahr 2015 nach Angaben des Bundestages 1,3 Millionen Euro Steuergelder kassiert. Die dazu notwendige Grundgesetzänderung könnte die Gemeinschaft der Demokraten ja unverzüglich anschieben. Kommt es dann zur Klage gegen diese Änderung, erinnern sich die Karlsruher Richter hoffentlich noch daran, wer sie gestern angeregt hat.