Kopf statt Bauch

Kommentar

17.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:47 Uhr

Theresa May hat gesprochen, das britische Pfund erholt sich von seinem jüngsten Crash, und an der Frankfurter Börse ist wieder Zuversicht angesagt. Warum eigentlich? Im Grunde hat die Premierministerin des Inselvolks doch nichts anderes verkündet als den Wunsch nach einem "harten" Austritt ihres Landes aus der EU und dem gemeinsamen Binnenmarkt.

Zwar räumt sie ein, dass es bei den Verhandlungen über den Brexit auch Kompromisse geben müsse. Der Weg zu dem von ihr anvisierten "guten, funktionierenden Deal mit der EU" wird gleichwohl steil und steinig - wenn er denn überhaupt zustande kommt.

Immerhin sind die Fronten jetzt einigermaßen klar: Die Briten wollen "nicht halb drinnen, halb draußen" sein, also keine Zwischenlösung wie etwa im Falle Norwegens oder der Schweiz. Denn das würde ja wieder Konzessionen an die vier Grundfreiheiten bedeuten - insbesondere die Personenfreizügigkeit -, die mit der Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt verbunden sind. Gerade derentwegen aber hatte die Mehrheit der Briten ja für den Brexit votiert.

Ebenso klar ist andererseits, dass die EU-Mitgliedsländer kaum von diesen Grundfreiheiten abrücken können, soll die in ihrer Sinnhaftigkeit ohnedies schwer angeschlagene Gemeinschaft nicht noch mehr an Glaubwürdigkeit verlieren. Hier einzuknicken würde bedeuten, dass auch andere europaskeptische Regierungen versuchen könnten, mit Brüssel vermeintlich "gute Deals" zu machen. Doch am Ende einer solchen Entwicklung stünde unweigerlich der Zusammenbruch der EU.

Viel wird nun daher davon abhängen, wie sich die Verhandlungen zwischen London und Brüssel gestalten, sobald die Briten ihren Austrittsantrag gestellt haben. Dabei sollten sich beide Seiten um pragmatische Lösungen bemühen. Denn viel zu eng sind inzwischen die Verflechtungen und gegenseitigen Abhängigkeiten, als dass man sich noch taktische, möglicherweise sogar von Rachegelüsten getriebene Spielchen mit massiven politischen und ökonomischen Kollateralschäden erlauben könnte. Mays Drohung, bei einem Scheitern der Verhandlungen Großbritannien zu einem Steuerparadies umzubauen, ist daher alles andere als hilfreich.

Geradezu ideal wäre es nun, wenn sich die EU ebenfalls einen "funktionierenden Deal" mit London zum Ziel setzte - sprich: das von den Briten angestrebte Freihandelsabkommen und eine Zollvereinbarung mit der EU. Kurzum: Nachdem auf der Insel der "Bauch" entschieden hat, sollte nun wieder der "Kopf" regieren - auf beiden Seiten.