Der Audi-Schock

Kommentar

15.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:29 Uhr

Medienwirksamer hätte man diesen Akt nicht inszenieren können. Drei Stunden vor Beginn der Jahrespressekonferenz durchsuchen Dutzende Staatsanwälte und Polizeibeamte Büros auf dem Audi-Gelände. Selbst die Autos der Aufsichtsräte werden dem Vernehmen nach gründlich gefilzt.

An einen Zufall mag man da nicht denken, auch wenn ein Sprecher der Ermittlungsbehörde schnell dementiert. Man habe von der Pressekonferenz erst zu spät Kenntnis genommen, heißt es lapidar. Die Durchsuchungsaktion an mehreren Orten - neben Ingolstadt noch in Neckarsulm und Wolfsburg - sei zu aufwendig gewesen, als dass man sie in letzter Minute hätte verschieben können.

Jedenfalls steht Audi seit Mittwoch in einem anderen Licht da. Denn eigentlich wollte Vorstandschef Rupert Stadler mit ordentlichen Zahlen die Abgas-Affäre weiter aufarbeiten und den Blick nach vorne richten. Aber jetzt steht fest: Der Skandal ist zurück - und Audi ist in der öffentlichen Wahrnehmung endgültig in die Täterrolle gerückt. Bislang schienen alle Vorwürfe an den Ingolstädtern und speziell an Stadler abzuperlen. Selbst die Trennung von den beiden Technikvorständen Ulrich Hackenberg und Stefan Knirsch wirbelte nur kurz Staub auf. Intern sprach man immer nur von der "Diesel-Thematik". Man kann sich die Welt auch schönreden.

Noch vor ein paar Tagen sprach der Aufsichtsrat der VW-Tochter dann Stadler sein Vertrauen aus. Die Wende schien gekommen, auch wenn noch ein unangenehmer Arbeitsrechtsprozess gegen einen ehemaligen Motorenentwickler läuft. Die Audi-Vorstandsetage war wieder guten Mutes. Gestern sollte ein neues Zeitalter beginnen. Geprägt auch von Demut. Denn statt im großen Auslieferungszentrum, fand die Pressekonferenz diesmal im kleinen Filmsaal des Museums Mobile statt. Auch die pompöse Leistungsshow der Boliden blieb aus. Selters statt Sekt.

Die Erkenntnis vom Mittwoch lautet: Der Tiefpunkt ist womöglich noch nicht erreicht. Bei den Ermittlungen geht es zwar ausschließlich um Verfehlungen in den USA. Das macht die Sache aber nicht weniger schlimm. Zumal das Gefühl bleibt, dass bei Audi immer noch nicht die ganze Wahrheit auf den Tisch gekommen ist.

Schnell werden nun wieder Stimmen laut, die den Audi-Chef in Bedrängnis sehen und seinen Rücktritt für geboten halten. Trotz der dramatischen Ereignisse des Mittwochs gilt aber weiterhin: Es zählen Fakten, nicht Vermutungen. Bis die Ermittler das Ergebnis der Razzia präsentieren, wird noch einige Zeit vergehen.
 
Solange noch nichts Konkretes vorliegt, wären auch Stadler-Kritiker gut beraten, einfach abzuwarten. Sicher: Das Unternehmen wird derzeit so arg gebeutelt wie noch nie. Und sicherlich werden am Ende auch Konsequenzen gezogen werden müssen. Dann aber auf Basis von Fakten und Beweisen.