Sandön
Wenn Triathlon zu langweilig ist

09.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:49 Uhr

An Land und im Wasser: Mehr als 50-mal wird zwischen den Disziplinen Geländelauf und Schwimmen gewechselt. Da bleibt keine Zeit, sich umzuziehen. - Fotos: Jakob Edholm, Nadja Odenhage

Sandön/Utö (DK) Einmal im Jahr kämpfen auf den Schäreninseln in Schweden beim Ötillö die Athleten um den Weltmeister-Titel im „Swimrun“. Es gilt als eines der härtesten Ein-Tages-Rennen der Welt.

Es ist 5.30 Uhr auf der Insel Sandön. In der kleinen Stadt Sandhamn geht bald die Sonne auf. Am Pier vor dem einzigen Hotel der Stadt wärmen sich die ersten Athleten auf. Unter ihnen Pippa Middleton, der schwedische Rapper Petter und ein fränkischer Bratwurstunternehmer namens Thomas Förster.

Sie alle sind gekleidet wie Schwimmer und Läufer in einem: Neoprenanzug, Badekappe, eine Schwimmhilfe, Schwimmpaddel an den Händen, aber auch Turnschuhe und ein Gummiseil. Mit dem Gummiseil sind die beiden Teammitglieder verbunden. Damit niemand im Meer verloren geht und weil die Regeln vorschreiben, dass an Land zwischen den Athleten höchstens hundert und im Wasser höchstens zehn Meter Abstand sein dürfen. In die Laufstrümpfe haben einige Sportler Energieriegel gestopft.

Sie alle wollen die nächsten Stunden laufen und schwimmen. Zwischen den beiden Disziplinen wird 50-mal gewechselt. Bis die Sonne wieder untergeht. Zeit zum Umziehen bleibt beim Ötillö nicht: Denn dieser Wettkampf ist die Weltmeisterschaft im „Swimrun“. Eine Trendsportart, die vor zehn Jahren auf den Schäreninseln entstanden ist – es wird über steinige Wege und durch Schlammlöcher gerannt, über Felsen geklettert. Die Teilnehmer sind vor allem Sportler, denen der „normale“ Triathlon zu langweilig geworden ist.

Die wenigen Startplätze sind inzwischen so begehrt, dass man sich dafür qualifizieren muss – oder ausgelost wird. So wie Simone Bayer aus München und Gabi Celette aus dem Saarland. Die „Island Hoppers“, wie sie ihr Team nennen, machen bereits seit einigen Jahren Triathlon. Trainiert haben sie die meiste Zeit nicht zusammen. Wegen der großen Distanz zwischen den Wohnorten. Rund 70 Stunden in der Woche standen auf dem Trainingsplan. Bayer ist des Öfteren auch ins Eichstätter Freibad gefahren. „Das liegt in der Nähe des Wohnorts meiner Eltern“, erklärt sie. Aber ob man das Freibad und deutsche Seen mit dem schwedischen Meer vergleichen kann? Die beiden Sportlerinnen wissen es nicht – ihr Ziel heißt: „Ankommen.“

Langsam stellen sich die Sportler an der Startlinie auf. Fotografen drängen sich um sie. Manchen Teams steht die Aufregung ins Gesicht geschrieben. Dann fällt der Schuss – und die Sportler rennen durch Sandhamn zum ersten Sprung ins Meer. Der Wind bläst mit einer Stärke von 12, die Wellen sind ziemlich hoch. Das erschwert das Schwimmen. Das Wasser hat ungefähr 15 Grad Celsius. Angenehm für die Skandinavier. Sie sind an diese Temperaturen gewöhnt.

Die einzige Möglichkeit, den Wettkampf zu beobachten – wenn man nicht selbst teilnehmen will –, ist es, ein Boot zu nehmen. So kommt man richtig nah an die Sportler heran, die gerade im Meer schwimmen. Der schwierigste Teil für sie ist, über die Felsen ins Wasser oder wieder herauszuklettern. Die Steine sind durch den Regen der vergangenen Tage glitschig, immer wieder rutschen die Schwimmer ab. Einige springen einfach ins Wasser – aber die Gefahr einen Felsen zu treffen, den man vorher nicht gesehen hat, ist groß. Nach acht Stunden und 29 Minuten kommt das erste Team ins Ziel: Björn Englund und Paul Krochak waren die Schnellsten. Nach drei Vierteln der Strecke überholten sie die bis dahin Führenden. „Als wir sie sahen, dachte ich, dass ich halluziniere“, sagt Paul Krochak nach dem Rennen. „Wir waren so müde, aber als wir sie überholt haben, haben wir versucht, stark auszusehen.“ Auch Petter und Pippa Middleton schaffen es mit ihren Teampartnern ins Ziel. Vor Erleichterung weint die Engländerin.

Zu diesem Zeitpunkt sind die „Island Hoppers“ schon ausgeschieden, weil sie nicht innerhalb der erforderlichen Zeit den Messpunkt passiert haben. „Die Laufstrecken sind hochanspruchsvoll“, erzählt Gabi Celette. „Teilweise musste man sich an Wurzeln hochziehen“, fügt Simone Bayer hinzu. Ihr Fazit: Es war eine tolle Erfahrung, aber das kann man in Deutschland nicht trainieren.

Und der Gaststättenbesitzer Thomas Förster aus Nürnberg? Er hat es beim Ötillö ins Ziel geschafft. „Ab Kilometer 35 ist es eine reine Kopfsache“, sagt er. „Landschaftlich ist es klasse, der absolute Übertraum.“ Dann geht er eilig ins Restaurant – er hat gehört, dass es da Würstchen zu essen gibt. Das kann er sich als „Bratwurstkönig“ nicht entgehen lassen.