Pfaffenhofen
Syrien – ein verbranntes Land

Die Journalistin Karin Leukefeld berichtet lieber von Menschen als vom Krieg

29.07.2015 | Stand 02.12.2020, 20:58 Uhr

Bei der Arbeit: Karin Leukefeld (rechts) führte im Mai 2015 ein Interview mit Talal Barazi, dem Gouverneur von Homs - Foto: Leukefeld

Pfaffenhofen (DK) Sie besitzt einen syrischen Presseausweis, auf den sie fünf Jahre lang warten musste. Seitdem leistet ihr dieses Papier bei den Reisen und Recherchen im Land meistens bessere Dienste als der deutsche Personalausweis: Karin Leukefeld berichtet seit dem Jahr 2000 als freie Journalistin aus Syrien und dem Nahen Osten.

Für Tages- und Wochenzeitungen sowie den Hörfunk. Manchmal fällt es ihr nicht leicht, ihre Reportagen in den Medien an den Mann zu bringen, denn die 61-Jährige will keine Kriegsberichterstatterin sein, sondern zeigt lieber das Leben der einfachen Menschen.

Im Mai und Juni war sie zuletzt in Syrien, in Damaskus und Homs. „Das Land hat sich total verändert“, erzählt Leukefeld nach einem Vortrag, den sie in Pfaffenhofen auf Einladung des Vereins „Freundschaft für Valjevo“ gehalten hat. Das Interesse ist groß an solchen Referaten, denn die Menschen nehmen Anteil am Schicksal der Flüchtlinge aus Syrien und wollen mehr über das Land und die schwelenden Konflikte wissen. Aus erster Hand.

Wenn Karin Leukefeld das Syrien von einst beschreibt, dann wird spürbar, wie sehr sie Land und Leute liebt. „Syrien ging es gut zwischen 2000 und 2010“, berichtet sie. „Das Land erlebte innerhalb kürzester Zeit einen wirtschaftlichen Aufschwung und eine Anbindung an die westliche Welt. Niemand hatte Hunger zu leiden, jeder hatte ein Dach überm Kopf und die Grundnahrungsmittel waren sehr billig, weil sie subventioniert werden.“

Die deutsch-syrische Universität gibt es noch. „Dort sind jetzt keine deutschen Studenten mehr“, weiß Karin Leukefeld. „Und die deutschen Professoren müssen nun nach Beirut reisen, um dort die Prüfungen vorzunehmen.“ Deutsche Touristen kommen auch nicht mehr nach Damaskus wie einst.

Krieg, Wirtschaftssanktionen und die damit verbundene Isolierung haben alles verändert. „Über Nacht wurde Syrien der Rücken zugekehrt“, sagt die Journalistin. „Früher war es ein aufstrebendes Land mit einer starken Mittelschicht. Heute ist es ein verbranntes Land, und Millionen Menschen haben alles verloren.“

Innerhalb Syriens sind mindestens sieben Millionen Menschen auf der Flucht, Leukefeld schätzt sogar bis zu neun Millionen. Und das bei einer Gesamtbevölkerung von 23 Millionen. Die Inlandsflüchtlinge leben meist im Westen des Landes – etwa in der Küstenstadt Latakia. „Dort haben sich zum Beispiel viele Geschäftsleute aus Aleppo wieder eine Existenz aufgebaut“, erzählt Leukefeld. „Syrer sind sehr geschäftstüchtig und geben nie auf.“

Die junge Elite habe das Land längst verlassen, meint Leuke-feld und berichtet von einem Stipendienprogramm „Leadership für Syria“ in Baden-Württemberg. Fragt man sie nach der Zukunft Syriens, erinnert sich die Journalistin an eine Karte aus dem Jahr 1922 der damaligen französischen Mandatsmacht: Das Land aufgeteilt, mit einem Kunststaat Damaskus. „Damals hatte man allerdings noch nicht den ,Islamischen Staat’ auf dem Schirm“, sagt sie sarkastisch. „Israel spielt eine wichtige Rolle, und die Türkei ein doppeltes Spiel. Die Journalistin hat Interviews mit jungen, gut informierten Leuten geführt, die sagen: „In unseren Händen liegt nichts mehr. Wir sind nur noch Spielfiguren. Die Großmächte bestimmen die Entwicklung.“

Früher lebte Karin Leukefeld in Damaskus in einer Wohnung. Die musste sie aufgeben, denn in dem Gebiet gab es Kämpfe und Entführungen. Jetzt wohnt sie in einem kleinen Familienhotel. „Meine ganze Arbeit ist teurer geworden: Ich muss mehr pendeln, kann nicht mehr direkt nach Syrien fliegen, und mein Assistent, der mich mit dem Auto fährt und arabisch spricht, kostet 400 Dollar am Tag. Als Freiberuflerin trage ich einen Großteil dieser Kosten, weil ich es wichtig finde, aus Syrien zu berichten.“ Die Menschen begegnen ihr noch immer freundlich und friedlich. Wenn sie sich unsicher fühlt, sagt die Journalistin Interviews ab. „Da höre ich auf meine innere Stimme.“ Wirklich traurig wird Karin Leukefeld, wenn ihr Bekannte aus Syrien in Deutschland begegnen – als Flüchtlinge, ohne Zukunftspläne wie einst.