Landshut
Der letzte Akt

Nachspiel im Fall Rupp: Ein Schrotthändler behauptet, er sei bei den Ermittlungen von einem Polizisten mit der Pistole bedroht worden

22.10.2012 | Stand 03.12.2020, 0:55 Uhr
Rudi Rupp −Foto: oh

Landshut (DK) Es ist wohl der letzte Akt im Justizskandal um den toten Neuburger Landwirt Rudi Rupp: Gestern begann vor dem Landshuter Amtsgericht unter Vorsitz von Bernhard Suttner der Prozess gegen einen Schrotthändler aus dem Donaumoos wegen Falschaussage. Der heute 65-Jährige hatte im Wiederaufnahmeverfahren zum Fall Rupp am 15. November 2010 vor Gericht behauptet, er sei während einer Vernehmung am 15. März 2004 von einem Polizeibeamten mit dessen Dienstpistole bedroht worden. Dieser habe ihm die Waffe an die Schläfe gehalten und gesagt: „Wir können auch anders: Hier geht es um Mord – hier dürfen wir alles.“ So habe man ihn zwingen wollen, das Vernehmungsprotokoll zu unterschreiben.

Der Landwirt Rudi Rupp war in der Nacht zum 13. Oktober 2001 nach einem Gaststättenbesuch in Neuburg-Heinrichsheim spurlos verschwunden. Im Mai 2005 wurden Rupps Witwe und der damalige Schwiegersohn in spe vom Landgericht Ingolstadt wegen gemeinschaftlichen Totschlags zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, die zwei Rupp-Töchter mussten wegen Beihilfe ebenfalls ins Gefängnis. Das Gericht war sich sicher, dass die vier den Bauern getötet, zerstückelt und den Hofhunden zum Fraß vorgeworfen hatten.

In den Ermittlungen im Vorfeld des Prozesses suchten die Ermittler nicht nur nach Rupps Leiche, sondern vor allem auch nach dessen Mercedes. Wegen seiner Vorstrafen und seines Kontakts zum beschuldigten Schwiegersohn in spe geriet bei den Ermittlungen der Schrotthändler ins Visier. Die Beamten waren sich sicher, er habe den Mercedes – wie auch immer – entsorgt. Der Schrotthändler hatte das stets bestritten.

Am 10. März 2009 dann die spektakuläre Wende. In der Donau an der Staustufe Bergheim fanden Polizeitaucher Rupps Mercedes – auf dem Fahrersitz: seine Leiche. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar: So wie es im Urteil des Ingolstädter Landgerichts geheißen hatte, konnte es nicht gewesen sein. Am 20. Oktober 2010 begann daher am Landshuter Landgericht das Wiederaufnahmeverfahren, in dem alle Angeklagten freigesprochen wurden – obwohl das Gericht überzeugt war, dass sie den Bauern getötet hatten. Doch es ließ sich nicht mehr feststellen, wie Rupp ums Leben gekommen war, und vor allem, wer der vier was getan hatte.

Seit gestern nun steht der Schrotthändler vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft vermutet als Motiv für die vermeintliche Falschaussage Hass auf die Justiz. Der heute 65-Jährige hatte während der Ermittlungen im Fall Rupp insgesamt knapp fünf Monate in Untersuchungshaft verbracht – zu Unrecht, wie sich später herausstellte. Der Angeklagte habe sich mit seiner Behauptung für die U-Haft rächen und die Polizei schlecht darstellen wollen, erklärte Staatsanwalt Hubert Krapf.

Vor Gericht bekräftigte der Schrotthändler gestern nochmals seine Aussage: Der Polizeibeamte habe in der Vernehmung vor acht Jahren in seine Jacke gegriffen, die Dienstpistole herausgezogen und ihm an die Schläfe gehalten. Dass er den Vorfall erst Jahre später öffentlich machte, habe unter anderem damit zu tun, dass sein damaliger Rechtsanwalt ihm wegen seiner Vorstrafen davon abgeraten hatte, den Polizisten wegen seiner Drohung anzuzeigen. Er müsse sich so etwas gefallen lassen. Das nenne sich „hart angefasst“, hatte der Anwalt gesagt. Die damalige Lebensgefährtin des Schrotthändlers erklärte im Zeugenstand, ihr Partner habe ihr bereits etwa ein Dreivierteljahr nach dem Vorfall davon erzählt.

Der beschuldigte Polizist schilderte die Beziehung zu dem Schrotthändler völlig anders: „Wir sind gut miteinander ausgekommen.“ Ob er seine Waffe eingesetzt habe, wollte Richter Suttner wissen. „Gar nichts“, so der Beamte. Ob er damals überhaupt während der Vernehmung eine Waffe getragen habe, wisse er nicht mehr. In dem Wiederaufnahmeverfahren hatte der Polizist zu dem Bedrohungsvorwurf noch die Aussage verweigert.

Die Anwälte des Schrotthändlers, Regina Rick und Klaus Wittmann, äußerten ihren Unmut darüber, dass die Polizeibeamten – bei dem Vorfall sollen ein weiterer Beamter und eine Polizistin dabei gewesen sein – im Vorfeld der Ermittlungen zum aktuellen Prozess nicht vernommen wurden. Der zuständige Landshuter Sachbearbeiter hatte in Absprache mit Staatsanwalt Krapf lediglich schriftliche Stellungnahmen angefordert. Das sei durchaus üblich, erklärte der Sachbearbeiter sinngemäß. „Wenn Kollegen beschuldigt werden, wird das offenbar nicht ernst genommen“, ereiferte sich Verteidiger Wittmann. So sei kein faires Verfahren möglich.

Die Verhandlung wird am 12. November am Amtsgericht in Landshut fortgesetzt. Dann sollen die beiden anderen Beamten in den Zeugenstand treten. Voraussichtlich wird dann auch das Urteil fallen.