Ingolstadt
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Der Audi Urban Future Award: Fünf internationale Architektenteams entwerfen die Stadt der Zukunft

04.11.2012 | Stand 03.12.2020, 0:52 Uhr

 

Ingolstadt/Istanbul (DK) Nein, Rupert Stadler hat keine Sorge mehr, dass die Kandidaten für den Audi Urban Future Award eine autofreie Stadt als Zukunftsvision entwickeln könnten.

Zum Start des Architektur-Wettbewerbs vor drei Jahren hatte ihn das noch ein wenig umgetrieben, erzählt der Audi-Vorstandvorsitzende in einer Runde von Journalisten. Und wie denkt ein Autokonzern über Car-Sharing? Der Automann ist sich sicher: „Das wird eines der Themen sein, die auf uns zu kommen. Aber Car-Sharing gibt es ja nur mit Car.“

Istanbul, Mitte Oktober. Audi hat die Tagung der international besetzten Jury und die Verleihung des zweiten Urban Future Award, den mit 100 000 Euro höchst dotierten deutschen Architekturpreis, in die 15-Millionen-Stadt am Bosporus verlegt. Eine passende Kulisse, um darüber zu diskutieren, wie die Menschen in den Megacitys 2030 leben und wie sie sich (fort)bewegen werden. In Istanbul kann es nur besser werden: Stau ist eine der Konstanten, die Rushhour dauert von 7 Uhr morgens bis spät in die Nacht, die Menschen teilen sich den eng bebauten urbanen Raum mit den Autos und nicht umgekehrt. Und Pünktlichkeit ist keine Tugend, sondern eine Ausnahme – oder einfach Glück.

Nur wenig anders sieht es mit dem Verkehrsinfarkt und dem Flächenverbrauch in São Paolo, in Mumbai, in China oder an der Ostküste der USA zwischen Boston und Washington aus. Fünf Architektenteams hat der Kurator des Wettbewerbs, das Büro Stylepark mit Sitz in Frankfurt, vorgeschlagen. In den Entwürfen der Architekturbüros geht es um die Zukunft der Mobilität und um die Visionen für Städte, es geht um Herausforderungen und um konkrete Lösungen, die im Idealfall auf andere Städte übertragbar sind und damit Vorbildcharakter haben. 2030 werden 70 Prozent der Weltbevölkerung in Megacitys, in Städten mit mehr als acht Millionen Menschen, leben.

Verblüffende und originelle Konzepte, teils mit digitaler Rundum-Vernetzung außerhalb und innerhalb der Fahrzeuge, haben die Teams entwickelt. São Paulo verlegt den Verkehrsstrom der Menschen einen Stock höher, die Straßen von Shenzhen im chinesischen Pearl River Delta sollen lebenswerter werden. Im Gebiet zwischen Boston und Washington sollen entlang einer 400-Meilen-Verkehrsschlagader Wohnraum und Transportmittel geteilt werden. Auf Teilen setzt auch das Team aus Istanbul. Die Bewohner können Mobilität und Lebensraum selbst bestimmen. Und in Mumbai richtet sich der Blick auf menschliche Interaktionen, die die wirtschaftliche Entwicklung und Dynamik der Stadt erhalten.

Bei aller Unterschiedlichkeit der geografischen Voraussetzungen und soziologischen Bedingungen – und vor allem trotz aller Geheimhaltung der Arbeitsprozesse – gibt es verblüffende Überscheidungen. Raum wird neu verteilt, muss neu verhandelt werden. Und der Trend liegt im Postmaterialismus, ein Wertewandel im besten Sinne, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Und hier und da mutig auch den Willen zum gesellschaftlichen Wandel voraussetzt: In den USA geht es nicht mehr um Besitz, in China sollen Landschaft und Natur wieder den Menschen überlassen werden.

Christian Gärtner, Vorstand von Stylepark, wertet das Engagement von Audi als Signal: „Hat bislang das Auto das Aussehen der Städte geprägt, so könnte künftig die Struktur der Stadt darüber entscheiden, welche Arten von Mobilität entstehen. Zukunft wird also einerseits von Architekten geformt, anderseits von Mobilitätsanbietern.“ Und Audi? Audi will von den Städten lernen – und städtische Zukunft mitgestalten. Für den Vorstandsvorsitzenden ist dabei klar, dass ein Autokonzern die multiplen Probleme der Städte und der Mobilität nicht alleine lösen kann. Stadler sagt: „Wir können aber als Teil unserer unternehmerischen Verantwortung Fragen stellen und eine offensive Diskussion eröffnen.“

Das Unternehmen versteht die Initiative als Denkfabrik, als Zusammenspiel zwischen Konzern, Architekten, Städteplanern und Wissenschaftlern. Und der Austausch geht weiter. Ein „Insight Team“ mit Mitarbeitern aus den Bereichen Design, Kommunikation, Technische Entwicklung und Markenstrategie wird die Impulse ins Unternehmen tragen. Und aus der Vision des Gewinners wird ein City-Dossier entwickelt. Eine konkrete Anleitung für eine Stadt der Zukunft.