Ingolstadt
„Teilen kann gesamtwirtschaftlich sinnvoll sein“

Über Shared Economy

16.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:48 Uhr


Ingolstadt (DK) Im Interview spricht Jörg Althammer, Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsethik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, über Shared Economy.

Herr Althammer, wir teilen Fotos und Informationen bedenkenlos im Internet, wieso tun sich Menschen teilweise immer noch schwer mit dem Teilen von Besitztümern?

Jörg Althammer: Zwischen dem Teilen digitaler Informationen und dem gemeinsamen Gebrauch physischer Güter gibt es zwei bedeutende Unterschiede. Zum einen: Digitale Informationen lassen sich beliebig vervielfachen, so dass ein Gemeinschaftskonsum ohne Qualitätsverlust möglich ist. Demgegenüber müssen physische Güter in der Regel nach ihrer Benutzung wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt werden, um einen Konsum in gleicher Qualität zu gewährleisten. Das kann mit erheblichen Kosten und Kontrollproblemen verbunden sein. Ein zweiter Unterschied: Die Verbreitung digitaler Informationen erfolgt häufig unbemerkt und damit auch unbeabsichtigt. Das ist bei physischen Gütern nicht möglich.

Ist Teilen gut oder schlecht für die Volkswirtschaft?

Althammer: Die Shared Economy kann gesamtwirtschaftlich sinnvoll sein, wenn dadurch neue Märkte erschlossen werden oder die Preise für Güter und Dienstleistungen gesenkt werden können. Ein Beispiel dafür ist das Carsharing. Sie ist jedoch gesamtwirtschaftlich schädlich, wenn das Geschäftsmodell hauptsächlich darin besteht, sinnvolle Regulierungen zu unterlaufen. Und wie bei jeder Innovation gilt auch für die Shared Economy, dass innovative Geschäftsmodelle bestehende Anbieter auf dem Markt verdrängen.

Ist die Motivation zum Teilen finanzieller oder ethischer und sozialer Natur?

Althammer: Die Motive für den Gemeinschaftskonsum sind so vielfältig wie die Teilnehmer auf diesem Markt. Tatsächlich gibt es Bereiche der Shared Economy, in denen ein explizit ethischer Anspruch vertreten wird, zum Beispiel bei Kleidertauschbörsen oder bei der Abgabe zuviel gekaufter Lebensmittel. In den wirtschaftlich bedeutsameren Marktsegmenten dominiert jedoch eindeutig das Gewinnerzielungsmotiv.

Den Trend gibt es schon lange, durchgesetzt hat er sich in Deutschland wenn überhaupt nur in Großstädten. Warum?

Althammer: Der Gemeinschaftskonsum erfordert eine kritische Menge an Marktteilnehmern, die bislang vor allem in Ballungsgebieten vorhanden ist. Außerdem müssen die Marktteilnehmer bestimmte Eigenschaften wie eine hohe Internetaffinität und die Bereitschaft zu innovativen Konsummodellen aufweisen, die bislang vor allem im urbanen Milieu verbreitet sind.

An welcher Stelle muss der Gesetzgeber aktiv werden?

Althammer: Ein regulatorischer Rahmen ist insbesondere im Bereich des Haftungsrechts erforderlich. Wer haftet bei Unfällen oder grober Fahrlässigkeit? Aber auch die arbeits- und die gewerberechtlichen Fragen müssen geklärt werden.

Die Fragen stellte Verena Belzer