Heideck
Wo Gewalt und Hunger herrschen

25.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:53 Uhr

Bei der Arbeit: Comboni-Missionar Hans Eigner erklärt den Vorarbeitern, was zu tun ist. In Juba, der Hauptstadt des Südsudans, hat der studierte Bauingenieur eine Friedenszentrale erbaut. Sie wurde Ende vergangenen Jahres fertiggestellt.

Heideck/Juba (DK) Hans Eigner aus Heideck ist Missionar im Südsudan. Drei Jahre hat er in einem Land verbracht, in dem ein erbitterter Bürgerkrieg tobt. Während dieser Zeit hat der studierte Bauingenieur ein Friedenszentrum in der Hauptstadt Juba gebaut - und viel erlebt.

Im Südsudan tobt seit Dezember 2013 ein blutiger Bürgerkrieg. Abertausende sind dem Konflikt schon zum Opfer gefallen. Millionen Menschen sind auf der Flucht und vom Hunger bedroht. Nachdem das afrikanische Land im Jahr 2011 seine Unabhängigkeit vom Sudan erklärt hatte, kämpfen die Anhänger des ehemaligen Vizepräsidenten gegen die Gefolgsleute des amtierenden Präsidenten. Mittlerweile sind sogar fast alle 64 Stämme des Landes vom Krieg betroffen.

Wie so oft geht es in erster Linie um Macht, Geld und Ressourcen. Vor allem Öl. Der Konflikt spielt in der europäischen Wahrnehmung kaum eine Rolle, obwohl sich seit Anfang des Jahres eine verheerende Hungersnot ankündigt. Trotzdem oder genau deswegen gibt es Menschen, die die Gefahr auf sich nehmen, in das Land zu reisen, um zu helfen. Einer von ihnen ist Comboni-Missionar Hans Eigner aus Heideck (Kreis Roth). Der Comboni-Orden ist weltweit tätig, hat aber seine Ursprünge im Sudan. Vor ein paar Monaten ist Eigner für ein Sabbatjahr nach Deutschland zurückgekehrt. Anfang 2018 reist er wieder in den Südsudan. Aber was verschlägt einen studierten Bauingenieur in das krisengeschüttelte Land?

14 Uhr nachmittags in Heideck. Missionar Hans Eigner sitzt an seinem Küchentisch und nippt an einer Tasse Kaffee. Neben ihm an der Wand hängt eine große Statue von Jesus Christus. Der Glaube im Haus des 61-Jährigen ist allgegenwärtig. Hier, wo er eigentlich daheim sein müsste, scheint er sich trotzdem nicht ganz zu Hause zu fühlen. "Der Rückzug ins Private war mir immer etwas zuwider. Ich wollte mich selbst und meinen Glauben nach außen tragen." Daher besuchte Eigner in den 70er-Jahren ein Internat in der Oberpfalz, das damals vom Comboni-Orden geleitet wurde. Dort entdeckte er auch seine Liebe für Afrika: "Missionare, die von dort zurückgekehrt sind, haben immer Geschichten über das Land erzählt. Das hat mich sehr fasziniert." Um in Afrika zu helfen, hat sich Eigner bewusst dafür entschieden, Bauingenieurswesen zu studieren. In den vergangenen drei Jahren war er im Südsudan. Dort hat er inmitten von Hunger, Gewalt und Krieg den Bau einer Ordenszentrale in der Hauptstadt Juba geleitet - des Good Shepherd Peace Centers. 140 Personen finden darin Platz. Nach zwei Jahren Bauzeit wurde es Ende 2016 fertig gestellt. Alle der 46 im Land tätigen Orden können das Friedenszentrum nutzen. Dort besuchen Ordensmitglieder Fortbildungen und arbeiten zusammen mit Einheimischen. Aufgrund von Krieg und Gewalt sind viele von ihnen traumatisiert. "Manche Menschen mussten ansehen, wie ihre Familien getötet wurden. Viele sind auf der Flucht. Wir helfen ihnen, ihre Traumata zu überwinden", sagt Eigner.

Aber auch mit dem christlichen Glauben möchten die Missionare den Menschen neue Hoffnung geben. "Früher gab es oft den Vorwurf, dass Missionare anderen ihren Glauben aufzwingen. Das stimmt heute nicht mehr. Wir möchten den Menschen helfen. Und mit ihnen Gott neu entdecken, um die Welt zum Besseren zu verändern."

Auch wenn die Missionare keine direkten Ziele von Angriffen sind, ist ihre Arbeit trotzdem gefährlich. Früh am Morgen oder spätabends sind viele Soldaten in der Stadt unterwegs, die wahllos Menschen aufhalten. "Sie haben nichts zu essen, kein Geld und eine Waffe in der Hand", sagt Eigner. Eine brenzlige Lage ist ihm besonders in Erinnerung geblieben. Im Juli 2016 ist die Situation in Juba eskaliert: "Es gab viele Tote unter den Soldaten. Das Nachbarland Uganda hat daher alle Geschäftsleute und Händler zurückgerufen und mit einem Konvoi nach Uganda begleitet. Ich habe von meiner Baustelle 13 Leute aus Uganda im Auto mitgenommen und bin mit ihnen zur Grenze geflohen", erzählt Eigner. "Dort kontrollierten uns Soldaten. Sie waren verärgert und angetrunken. Ein junger Soldat, der das Kommando hatte, hat besonnen reagiert. Wir konnten passieren. Ohne ihn wäre das vielleicht anders ausgegangen." Ein andermal gab es schwere Gefechte in der Nähe der Zentrale der Comboni-Missionare in Juba. "Wir haben uns auf Boden geworfen, weil Kugeln geflogen sind", erzählt er. Trotz allem verliert er nicht die Hoffnung: "Unser Leben ist bei Gott in guten Händen. Das teilt man aber nicht durch fromme Worte mit, sondern indem man sich für andere einsetzt."

Das braucht Afrika. Einsatzbereitschaft und wahrhaftige Friedensbemühungen. Europa blickt auf viele Jahre Frieden und Wohlstand zurück. Es gibt Strukturen, die das Leben begünstigen: Straßen, Häuser, Supermärkte. Alles ist selbstverständlich. "In Afrika schinden sich die Menschen tagsüber ab und über Nacht verschwindet das Erschaffene wieder aufgrund von Krieg und Chaos", sagt Eigner. "Am nächsten Morgen fängt man wieder von vorne an."