Frau
Flüssen wieder mehr Raum geben

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) über Hochwasser- und Klimaschutz

21.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:05 Uhr

Frau Hendricks, die verheerende Flutwelle von Juni 2013 hat an Deutschlands Flüssen zu Milliardenschäden geführt. Gleich darauf wurden bessere Hochwasservorkehrungen angekündigt. Seitdem ist nicht viel passiert, oder?

Barbara Hendricks: Die Zeit ist konsequent genutzt worden. Bund und Länder haben ein Nationales Hochwasserschutzprogramm entwickelt. Das steht jetzt bei der Umweltministerkonferenz in Heidelberg auf der Tagesordnung. Das ist ein großer Fortschritt. Wir werden festlegen, was unsere vorrangigen Ziele beim Hochwasserschutz sind und in welcher Reihenfolge wir sie abarbeiten.

 

Mehr Hochwasserschutz wird es kaum zum Nulltarif geben. Wer soll dafür zahlen?

Hendricks: Der Bund fördert Hochwasserschutz schon jetzt über die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz und trägt dabei 60 Prozent der Ausgaben. Darüber hinaus wird es weitere Mittel zur Unterstützung der Länder geben. Wir werden einen Sonderrahmenplan für den Hochwasserschutz auflegen. Für den Bund rechnen wir mit einem Beitrag von ungefähr 1,2 Milliarden Euro.

 

Wird es entlang der Flüsse bald in großem Stil Bauarbeiten und Deichverlegungen geben?

Hendricks: Wir wollen keine bösen Überraschungen mehr erleben. Es geht darum, unseren Flüssen wieder mehr Raum zu geben. Deichrückverlegungen sind auch unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes die beste Option. Auf den Flächen zwischen Deich und Fluss ist dann keine intensive Landwirtschaft mehr möglich. Dafür werden die Bauern natürlich entschädigt. Wenn der Nationale Hochwasserschutzplan umgesetzt wird, werden unsere Flüsse 20 000 Hektar mehr Platz haben. Wir planen auch neue Polder, die im Fall der Fälle kontrolliert geflutet werden.

 

Hätte eine Katastrophe wie 2013 mit dem geplanten Hochwasserschutzprogramm verhindert werden können?

Hendricks: Wären die jetzt vereinbarten Maßnahmen schon umgesetzt gewesen, hätte das letzte Hochwasser sicherlich nicht diese verheerenden Folgen haben können. Wir müssen aber davon ausgehen, dass die Anforderungen steigen. Die Umsetzung des Hochwasserschutzprogramms garantiert, dass wir den Scheitelpunkt der Flüsse im Notfall deutlich senken können – an der Elbe teilweise um bis zu 79 Zentimeter, an der Donau um bis zu 1,60 Meter.

 

Wird künftig das Bauen in besonders von Hochwasser gefährdeten Gebieten verboten?

Hendricks: Wir werden das Baurecht auf jeden Fall so ändern, dass Deichprojekte schneller umgesetzt werden können. Es geht uns darum, die Rückverlegung ohne Enteignungen zu organisieren. Ob es notwendig ist, das Verbot zur Errichtung neuer Gebäude in Überflutungsgebieten zu verschärfen, werden wir prüfen. Und die Schäden durch Öl kann man vermeiden, wenn man in solchen Gebieten auf Ölheizungen verzichtet.

 

Vom Hochwasserschutz zum Weltklima: Europa berät beim Gipfel ab morgen in Brüssel über mehr Klimaschutz und Energieeffizienz. Ist es Zeit für ehrgeizigere Ziele?

Hendricks: Europa muss ehrgeizig sein. Wir sollten verabreden, die Treibhausgasemission bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu vermindern. Es ist auch richtig, den Anteil der erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz deutlich zu steigern.

 

Deutschland droht seine eigenen Klimaziele für 2020 zu verfehlen. Was tun?

Hendricks: Wir werden nachsteuern müssen. Deutschland hat sich vorgenommen, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Nach jetzigem Stand werden wir das nicht erreichen. Deshalb werde ich dem Kabinett im Dezember ein Klimaaktionsprogramm vorlegen.

 

Ist Strom aus Kohle für Sie ein Auslaufmodell?

Hendricks: Wir werden Strom aus Kohle zumindest für eine Übergangszeit noch benötigen. Bis 2050 wollen wir in Deutschland 80 Prozent Ökostrom haben. Gas muss wieder eine größere Rolle bei der Stromerzeugung spielen. Es kann nicht sein, dass effiziente Gaskraftwerke stillgelegt werden, während Kohlekraftwerke weiterlaufen.

 

Die Fragen stellte

Rasmus Buchsteiner.