"Ich war der uncoolste Mann der Welt"

03.11.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr

−Foto: Claus Woelke

Ingolstadt (DK) Mit der Konzertreihe "Mein Wohnzimmer ist dein Wohnzimmer" tourt Tim Bendzko derzeit durch Deutschland. Begleitet von nur vier Musikern spielt er in bestuhlten Konzertsälen in heimeliger Atmosphäre. Das Besondere: Es gibt nur wenige solcher Konzerte - und eines davon fand am Sonntagabend in Ingolstadt statt.

Tim Bendzko kann alles. Er singt mit unverkennbarer Stimme, schreibt interessante Liedtexte, spielt mehrere Instrumente und – für einen 29-jährigen Mann eher ungewöhnlich – tanzt wirklich gut. Aber damit nicht genug: Bendzko ist auch richtig nett.

Bei seinem Auftritt am Sonntagabend im Stadttheater präsentiert sich der Sänger sympathisch und nahbar. Ohne große Ankündigung und ohne sein Publikum warten zu lassen, betritt Bendzko die Bühne, die mit Stehlampen, einem Plüschsofa und einer gut gefüllten Bar dekoriert ist. Er setzt sich auf einen Hocker und stimmt begleitet von leisen Klavierklängen „Am seidenen Faden“ an. Hinterher schickt er eine groovige und sehr tanzbare Version der Ballade „In dein Herz“.



Dann macht Bendzko ein Päuschen und plaudert ein wenig mit seinem Publikum. „Herzlich willkommen in unserem kleinen Wohnzimmer“, ruft er und erklärt, dass er mit diesen sogenannten Wohnzimmerkonzerten zu seinen Wurzeln zurück möchte: Damals habe er kaum Fans gehabt und lediglich mit einer Gitarre vor einer Handvoll Zuhörern gespielt. Um eine solche Atmosphäre bei den Wohnzimmerkonzerten zu schaffen, hat Bendzko seine Besetzung reduziert und nur noch vier Musiker an seiner Seite. Gemeinsam mit ihnen spielt er im bestuhlten Festsaal, nur wenige Meter von den Zuhörern entfernt.

Diese Nähe macht sich Bendzko zu Nutzen, um Kontakt mit dem Publikum aufzunehmen. Er holt eine junge Frau auf die Bühne und bietet ihr einen Platz auf dem Sofa und ein Glas Sekt an, denn „das Motto ,Mein Wohnzimmer ist dein Wohnzimmer’ nehmen wir wörtlich“. Ganz Entertainer versucht er, sie um den Finger zu wickeln: „Ich habe dich gesehen und wollte nur für dich ein Lied spielen“, sagt er, setzt sich mit der Gitarre neben sie und singt eine tolle unplugged-Version seines Hits „Unter die Haut“. „Früher war ich der uncoolste Mann der Welt. Aber dann wurde mir klar: Du musst nur Gitarre spielen lernen“, erklärt Bendzko hinterher schelmisch grinsend.

Und der 29-Jährige nutzt diesen Abend nicht nur für Flirts mit den Fans. Er versucht sich auch als Amor. So pickt er ein Paar aus der Menge heraus, das über fünf Jahre zusammen, aber noch nicht verheiratet ist. Ihnen widmet er sein Lied „Sag einfach ja“, woraufhin der Mann seiner Partnerin einen Antrag macht. Als diese freudig „Ja!“ ruft und ihrem Liebsten um den Hals fällt, springt Bendzko mindestens genauso freudig wie ein Gummiball auf und ab. Kuppeln kann er also ebenfalls.

Trotz all dieser Unterhaltungskunst, die Bendzko an den Tag legt, vernachlässigt er dabei nicht das Wichtigste: die Musik. Neben überraschender Versionen seiner eigenen Songs – etwa einem spanisch klingendem „Ich will zu Dir“ – beweist der 29-Jährige zudem sein Cover-Talent. Als etwa Herbert Grönemeyers „Männer“ ertönt, jubelt das Publikum vor Begeisterung. „Wir spielen jedes Mal auch einen Song, den wir erst am Konzerttag festlegen und nur einmal proben“, verrät Bendzko später und beginnt Laith al-Deens „Bilder von Dir“ zu schmettern. Natürlich vollkommen fehlerfrei.

Am interessantesten wird es jedoch, als Bendzko den Kampf gegen das Schubladendenken aufnimmt. „Das Klischee vom Songwriter ist, dass er mit der Gitarre vorm Kamin sitzt und weint. Das geht mir tierisch auf den Sack“, schimpft er. Deswegen wolle er einen „verbotenen Song“ spielen, ein Lied, das so gar nicht zu seinem Repertoire passe. „Keine Sorge, jetzt kommt nicht ,Atemlos’ – es gibt Grenzen“, scherzt Bendzko und stimmt stattdessen „Ich fühl’ mich Disko“ von Christian Steiffen an. Das Theater wird in bunte Farben getaucht, der Sänger schwoft über die Bühne und die Zuschauer wackeln mit den Hüften. Tim Bendzko kann eben wirklich alles – sogar Disko.
 

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