Mit
Wunschpunkte fürs Leben

12.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:05 Uhr

Ein Wesen mit feuerrotem Haar, blauen Wunschpunkten, Rüsselnase und dem Schalk im Nacken: Das Sams stürzt sich im neuen Buch in ein großes Weihnachtsabenteuer.

Mit dem Sams hat Paul Maar eine der beliebtesten Kinderbuchfiguren überhaupt erfunden. Doch so bunt und lustig seine Geschichten auch sind - die Kindheit des Autors war düster. Heute wird er 80 Jahre alt.

Im Haus des Vaters gab es drei Bücher: den Sprach-Brockhaus, den Rechtschreibduden und "Das große Wilhelm-Busch-Album". Denn der Vater hielt Lesen für Zeitverschwendung. Trotzdem wurde aus Paul Maar einer der bedeutendsten Kinderbuchautoren Deutschlands.

"Ich hatte keine sonnige Bullerbü-Kindheit, eher deren Gegenteil", erinnert sich Paul Maar. Die Mutter stirbt kurz nach der Geburt. Der Vater heiratet ein zweites Mal, wird wenig später als Soldat eingezogen, kommt in Kriegsgefangenschaft. Die Stiefmutter zieht mit dem Kind zu ihren Eltern, die in Obertheres in Mainfranken eine Gastwirtschaft besitzen. Der Großvater wird eine Art Vaterersatz, ist ein großartiger Geschichtenerzähler, ermuntert den Enkel, selbst zu dichten. Von dieser Kindheit erzählt Paul Maar später in seinem Buch "Kartoffelkäferzeiten". Auch wenn die Heldin da ein Mädchen ist, basiert die Geschichte auf eigenen Erlebnissen.

Schon in der Schulzeit ("Ich war ein höchst mittelmäßiger Schüler, der sich nur für seine beiden Lieblingsfächer Deutsch und Kunst interessierte") steht Paul Maars Berufswunsch fest: Er will Künstler werden. "Ich wusste, wie Künstler aussehen, hatte doch ein Plakat von Toulouse-Lautrec an der Wand meines Zimmers hängen, das den Sänger und Schauspieler Aristide Bruant zeigte, der mir der Inbegriff des Künstlers zu sein schien. Deshalb pflegte ich ab der zehnten Klasse meist nur noch schwarz gekleidet, mit langem roten Schal und flachem, schwarzem Hut in die Schule zu gehen", schreibt Paul Maar in der Aufsatzsammlung "Vom Lesen und Schreiben".

Also studiert er an der Kunstakademie Stuttgart Malerei und Kunstgeschichte. In den Semesterferien jobbt er als Bühnenbildner und Theaterfotograf am Fränkischen Theater Schloss Maßbach. 1960 heiratet er Nele Ballhaus, Tochter des Theatergründers Oskar Ballhaus und Schwester des berühmten Kameramanns Michael Ballhaus. Nach dem Studium arbeitet er als Kunsterzieher. Zum Schreiben kommt er, weil sich der Theaterintendant (und Schwiegervater) darüber beklagt, dass es keine neuen Stücke für Kinder gebe. Also denkt sich Paul Maar ein Hippie-Märchen um zwei langhaarige Prinzen aus, die Gitarre spielend ihren Tagträumen nachhängen, bis Oberhofmeister Krätzeklein eine Hexe engagiert, die die beiden zur Ordnung rufen soll. "Der König in der Kiste" ist Paul Maars erstes Theaterstück.

Die intensive Beschäftigung mit Kinderliteratur aber wird durch seine drei Kinder ausgelöst. Weil die den Lesehunger des Vaters geerbt haben, holt Paul Maar oft Nachschub in der Stadtbibliothek, findet aber die meisten Kinderbücher verstaubt und konventionell. Also beginnt er, sich selbst welche auszudenken. 1967 erscheint "Der tätowierte Hund". Wenig später erblickt das Sams das Licht der Welt - und macht seinen Schöpfer berühmt. Eigentlich hatte Paul Maar über einen schüchternen Mann schreiben wollen. Doch das Sams hatte Herrn Taschenbier einfach die Show gestohlen. Millionenfach verkaufen sich die Sams-Bücher. Gerade ist der neunte Band mit Sams-Geschichten erschienen. "Das Sams feiert Weihnachten" (Oetinger, 12,99 Euro) heißt er und erzählt von einem unvergesslichen Weihnachtsabend für Papa Taschenbier.

Paul Maars künstlerisches Schaffen ist unermüdlich und äußerst vielseitig: Er zeichnet und illustriert Bücher, erzählt Bildgeschichten, schmiedet Verse, erfindet Rätsel, treibt Buchstaben- und Wortspiele wie in "Jaguar und Neinguar". "Andere Kinder wohnen auch bei ihren Eltern", "Lippels Traum", "Drei miese, fiese Kerle", "Herr Bello" oder "Der Galimat" sind nur einige Beispiele seines umfangreichen Werks, das mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und in viele Sprachen übersetzt wurde. Noch immer schreibt er übrigens die ersten zehn Seiten mit der Hand, verriet er im Sommer auf dem Erlanger Poetenfest: "Je spitzer der Stift, umso feiner die Gedanken."