Ingolstadt
Witzig, blitzgescheit, tiefsinnig

Überragender Alfred Dorfer bei den Ingolstädter Kabaretttagen

24.04.2018 | Stand 23.09.2023, 3:01 Uhr
Wie man souverän den roten Faden verliert: Alfred Dorfer begeisterte das Publikum in der Neuen Welt in Ingolstadt. −Foto: Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Zweimal tritt er bei den Kabaretttagen in der Neuen Welt auf, zweimal ist die Kleinkunstbühne ausverkauft.

Alfred Dorfer aus Wien ist ein Publikumsmagnet. Obwohl - oder weil - er es einem nicht leicht macht. Ständig wechselt er die Perspektiven, die Sichtweisen und die Blickwinkel, ständig wechselt er die Rollen, schlaglichtartig tauchen Erinnerungen auf, Momentaufnahmen aus der eigenen Biografie oder von Menschen, mit denen er sie teilte. Das lediglich mit "und" betitelte Programm spielt gleichzeitig in mehreren Parallelwelten. Und ein roter Faden, den es mit dem fiktiven Umzug in eine neue Wohnung und somit in einen neuen Lebensabschnitt natürlich hat, ist für ihn in erster Linie dazu da, um ihn kunstvoll zu verlieren, wieder zu finden und die losen Enden neu zu knüpfen.

Ja, Dorfer ist in höchstem Maße anspruchsvoll, seine Gedankenfülle ist ebenso enorm wie sein Umgang mit der Sprache geschliffen. Tiefsinnige, philosophische Einlassungen wechseln sich ab mit Anekdoten, blitzgescheite Reflexionen mit überaus geschickt eingebauten Bonmots. Dorfer schafft, was nur ganz wenige schaffen, nämlich hohen Anspruch zu verbinden mit einer Art von Witz, bei der man ein ums andere Mal schallend lacht, wohl wissend oder zumindest immer spürend, dass sich hinter den verschiedenen Ebenen des Programms dann zu guter Letzt noch eine weitere, entscheidende und definitive verbirgt.

Die erschließt sich so richtig erst nach der Pause, als die Sache beginnt sich zu runden, als Alfred Dorfer darüber sinniert, ob sein Leben nicht gar ein Abdruck der gesamten Menschheitsgeschichte sei, sich Idealismus eh nicht rentiere, Toleranz lediglich Aggression hervorrufe und Demokratie zwar Freiheit biete, diese aber Entscheidungen verlange, was wiederum Angst hervorrufe.

Es geht um Werte wie Respekt und Verantwortungsbewusstsein, um Empathie, auch um Formen des Umgangs. "Wenn ein Mann älter wird, gehen drei Dinge gar nicht", sagt Dorfer und erntet damit lautes Gelächter. "Gefärbte Haare, ein kurz vor Torschluss erworbener Motorradführerschein, kurze Hosen. " Oder: "Durchs Zuspätkommen machen sich die Unwichtigen wichtig. " Und folglich: "Beim Zuspätkommen muss man absolut pünktlich sein. " - Witzig, wahr, von jedem als Exempel für die Präsentation des Individuums in der Öffentlichkeit zwar registriert, aber viel zu selten reflektiert.

Dorfer macht das für uns mit diesem exzellenten Programm. Und in der überaus originellen Zugabe gibt er uns gleich noch einen Katalog für mögliche Diskussionen nach der Vorstellung mit auf den Weg. "Hat's dir g'falln. " "Politisch war des aber net, oder. " "Und. War des jetzt ollas. " - "Ja, das war alles, und es war großartig. "

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Karl Leitner