Wien
Perfides Spiel mit den Ermittlern

Der neue "Tatort" aus Wien ist ein spektakulärer Krimi im Stil eines Psychothrillers

20.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:46 Uhr

Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seine Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) sollen einen Doppelmord verhindern. - Foto: Mican/ORF/Degeo

Wien (DK) "Alle haben es richtig gemacht, aber es ist das Falsche dabei herausgekommen", sagt Oberstleutnant Moritz Eisner am Ende. Gemeinsam mit Kollegin Major Bibi Fellner muss er im "Tatort: Schock" diesmal keinen Mord aufklären, sondern einen Doppelmord und eine Selbsttötung verhindern.

Die Tat wird per Videobotschaft angekündigt. Und das nicht nur bei der Polizei, sondern öffentlich im Netz. Ein packendes Szenario.

Ein junger Mann (Aaron Karl), dunkel gekleidet, filmt sein nur schwach beleuchtetes Gesicht vor dem Hintergrund einer Fabrikhalle. Ruhig und abgeklärt erklärt er seinen Plan. Er habe seine Eltern entführt, werde sie töten und anschließend sich selbst richten. Er wolle damit auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen. Er verrät aber nicht, worum es ihm genau geht.

Das sollen die Kommissare Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) vor den Augen der Internet-Öffentlichkeit während der Ermittlungen erfahren. Eisner, zum Leiter der Sondereinheit berufen, ist genervt, dass der Entführer ihm stets einen Schritt voraus ist und dass er den Verfassungsschützer und - O-Ton Eisner - Korinthenkacker Schubert (Dominik Warta) im Team hat. Ob die kritische Professorin Sarah Adler, Expertin für Amokläufe, helfen kann? Doch die einstige Aktivistin zeigt sich wenig kooperativ.

Der neue Österreich-"Tatort" ist wieder einmal ein spektakulärer Krimi. Rupert Henning hat ihn geschrieben und inszeniert. Er stellt das Krimiprinzip auf den Kopf. Es geht nicht um die Mörderjagd, es gilt, ein Verbrechen zu verhindern. Der Täter erweist sich als kluger Kopf ("kein Amoklauf, keine Affekthandlung, keine Rache, keine religiös-ideologisch motivierte Tat"), er treibt ein perfides Spiel mit den Ermittlern. Und dann ist der Krimi noch eine Vater-Tochter-Story. Denn die Spurensuche führt auch in das persönliche Umfeld des Ermittlers Eisner. Dem wird bald klar, dass er wenig über seine Tochter weiß: was sie macht, was sie denkt, wie es ihr geht

Regisseur Henning hat das alles im Stile eines Psychothrillers inszeniert. Und er hat auch eine Botschaft: Es geht um den Leistungsdruck auf die gegenwärtige Generation junger Menschen - bei schwindenden Zukunftsperspektiven. Das erfährt David am Beispiel seiner Freundin, und das erklärt Eisners Tochter Claudia ihrem Vater: "Wir sind die Pflichterfüller-Generation".

Nach außen hin funktioniert die sogenannte Generation Y perfekt, doch sie droht am permanenten Druck zu zerbrechen. Es sind durchweg relevante Themen unserer Zeit, die Henning hier behandelt und dabei Fragen aufwirft: Wie weit darf man gehen, um auf Missstände aufmerksam zu machen? Gibt es eine Form von gerechtfertigter Gewalt?

Über das Duo Krassnitzer und Neuhauser muss man nicht mehr viele Worte verlieren, das Zusammenspiel funktioniert bestens, die Dialoge sind wieder teils prägnant, teils pointiert. In seiner ersten Hauptrolle ist Aaron Karl zu sehen. Der Sohn von Fritz Karl stand schon als Sechsjähriger in "Das ewige Lied" vor der Kamera, spielte bisher kleinere Rollen und ist Musiker in verschiedenen Bands. Hier nutzt er die Gelegenheit, sein schauspielerisches Können zu zeigen: Sein David schockt, er hat etwas Verstörendes, Bedrohliches, aber er steht nicht für das Böse - es ist so etwas wie ein (letzter) Aufschrei.

 

ARD Sonntag, 20.15 Uhr.