Wer bin ich?

30.05.2008 | Stand 03.12.2020, 5:52 Uhr

Ingolstadt (DK) „Denn wenn das ich bin da drüben, wer bin ich?“ Vermutlich die verstörendste der Fragen, die sich stellen, wenn man seinem Klon begegnet. Aber eine, auf die das Publikum im Kleinen Haus mit Lachen reagieren darf so spontan gesprochen scheint der Satz. Schön: dass Regisseurin Alice Asper, trefflich unterstützt von den grandiosen Schauspielern Heimo Essl und Marco Steeger, in ihrer Inszenierung auch solche Momente möglich macht.

Und dabei doch immer die hochtragische Geschichte von Vater und Sohn, Vater und Klon, diese Auseinandersetzung mit Vererbung, Multiplizierung und Identität ernst nimmt in ihrer Tragik und auslotet in ihrem ganzen Potenzial. Preisverdächtig die packende Produktion „Die Kopien“ des Nürnberger Staatstheaters bei den Theatertagen!
 
Von der Britin Caryl Churchill stammt die Vorlage: Ein Hörspiel beinahe, ein Dialogstück für insgesamt vier Männer. Oder zwei? Salter, der Vater, und Bernard, sein Sohn, im vertrauensvollen Gespräch; Letzterer, 35 Jahre alt, hat offiziell erfahren, dass es „Kopien“ von ihm gibt. Geraubtes Erbmaterial, wie der Vater empört donnert. Doch nach und nach stellt sich heraus: Auch Bernard ist Kopie, von Bernard 1, den Salter weggab, als der vier Jahre war. Zu schwierig das Kind! Aber hübsch: perfektes Material und für Salter eine zweite Chance, sich selbst als liebevoller Vater neu zu schaffen.
 
Doch Bernard 1lebt. Wird ebenfalls mit Salter sprechen. Und eine der weiteren Kopien auch. Grandios schlüpft Marco Steeger in die Rollen der Söhne/Klone, so passgenau, dass man mitunter zweifelt, ob er wirklich „einer“ ist. Ausstrahlung, Haltung, Stimme – alles ist verändert, wenn er, nur mit anderen Schuhen angetan und die Haare aus der Stirn, auftritt zum nächsten Dialog.
 
So köstlich wie sein Spiel: Die Ausstattung von Frank Albert. Eine zentrale Spiegelwand, mitunter in diffusem Licht sich öffnend, ein Stuhl, ein weißer Streifen auf dem Boden. Und Kleidung, die Bedeutung wird. Im grauen Anzug „Vater“ Heimo Essl – machtvoll, stark, entschlossen. Zunächst. Aber im Kontakt mit dem kindheitswunden, rachevollen „Original, mit Bernard 2, den jede neue Offenbarung mehr zerstört, und zuletzt mit Michael, einer „Fremd-Kopie“ mit eigenem frohen Leben, immer verzweifelter.
 
Wunderbar schauspielerisches Können, austariertes Tempo, Dynamik, Emotion: Großes Kammerspiel. Jubelnder Applaus.