Berlin
Wenn der Sohn IS-Terrorist wird

"Macht Euch keine Sorgen" ist ein packender und sensibel erzählter Fernsehfilm, der heute in der ARD läuft

10.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:53 Uhr
Statt Urlaub in Spanien: Jakob (Leonard Carow, rechts) ist nach Syrien gereist und schließt sich dem "Islamischen Staat" an. Mit einem neuen Freund, Falk (Tilman Pörzgen). −Foto: Michael Kotschie/WDR/zeroonefilm/dpa

Berlin (DK) Familie Schenk erlebt einen Albtraum: Die Polizei steht vor der Tür und behauptet, der Sohn des Hauses ist heimlich nach Syrien gereist, um sich als Kämpfer dem "Islamischen Staat" (IS) anzuschließen.

Die Eltern sind geschockt, wähnen sie Sohn Jakob doch im Spanienurlaub. Schnell wird ihnen klar, dass er sie angelogen hat.

Auf Anrufe und SMS-Kontakte reagiert er erst nicht, dann kommt die kurze Nachricht: "Macht Euch keine Sorgen. " Jakobs älterer Bruder David, der bereits ausgezogen ist, eilt seinen Eltern zu Hilfe und macht sich mit Vater Stefan auf in den Nahen Osten, um Jakob zu suchen. Es gelingt dem Vater unter abenteuerlichen Umständen, seinen Sohn freizukaufen. Doch zurück in Deutschland wird Jakob von der Polizei verhört, die Nachbarn und Freunde reagieren ablehnend und auch die Eltern werden immer misstrau-ischer. Ist Jakob freiwillig zurückgekehrt und hat sich vom IS losgesagt, oder wurde er als Schläfer in die Heimat geschickt.

Das ARD-Drama "Macht Euch keine Sorgen" ist die Geschichte einer Rückkehr, die vielleicht gar keine ist. Die Autorinnen Jana Simon und Kathi Liers blicken in eine gediegene, gläubige Mittelschichtsfamilie und erzählen aus der Sicht der Eltern - vorwiegend aus der des Vaters - behutsam und differenziert von Vertrauen, Sorgen, Ängsten, Selbstzweifeln und Hoffnung im Kampf um die Befreiung des verlorenen Sohnes aus den (unsichtbaren) Klauen des IS.

Wird zu Beginn viel geredet und noch mehr erklärt, so legt der Film danach enorm an Intensität zu, die Sprachlosigkeit (vor allem der Mutter) und die Hilflosigkeit der Eltern nimmt immer mehr Raum ein. "Können Sie in den Kopf ihres Sohnes hineinschauen. ", fragt der LKA-Beamte den Vater, der seinen Sohn schützt und nach außen verteidigt, dessen Misstrauen aber steigt und steigt.

Jörg Schüttauf spielt diesen Stefan Schenk beeindruckend, mal naiv, mal zupackend. Die psychische Ausnahmesituation, in der er sich - wie die ganze Familie - befindet, wird an jeder Stelle spürbar. Ulrike C. Tscharre ist die zuweilen apathisch wirkende, aber ihre Erziehungsziele verteidigende Mutter.

Emily Atef, gerade mit ihrem Romy-Schneider-Film "3 Tage in Quiberon" in die Kinos gekommen, geht in ihrer Inszenierung (die Aufnahmen im Nahen Ostern entstanden in Jericho. ) äußerst sensibel mit dem Thema um. Ihr gelingt es, die Gefühle der Eltern sichtbar zu machen, sie fängt die Atmosphäre in dieser Ausnahmesituation gut ein.

"Macht Euch keine Sorgen" ist ein Film, der seine Stärke im Verlauf entfaltet und über den die Autorinnen sagen: "Ich glaube, das kann tatsächlich jeder Familie passieren. Auch in Wirklichkeit stammen die IS-Rückkehrer aus verschiedenen familiären und sozialen Hintergründen. Niemand ist davor gefeit" (Jana Simon). "Genau, das wollen wir erzählen. Das ist eine der Besonderheiten des Films: Es ist keine Geschichte über ?die anderen', sondern ?über uns'. Wir hoffen sie ist dadurch umso alarmierender und berührender. " (Kathi Liers)

Macht Euch keine Sorgen, am Mittwoch um 20.15 Uhr in der ARD.

Volker Bergmeister