Neuburg
Von Vätern und Katholiken

15.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:34 Uhr

Rita Brunner aus Aresing überzeugte die Jury mit liebenswerten und humorigen Anekdoten über ihren Vater. - Foto: Andrea Hammerl

Neuburg (ahl) Manche sind ein wenig gruselig, die meisten (auto)biografisch, in einem Text wird’s philosophisch, ein anderer weckt eigene Kindheitserinnerungen. Aus 80 Texten, die für das Festival "Fliesstext10" eingereicht wurden, hat die Jury aus Kulturamtsleiter Dieter Distl, Notar Udo Leitenstern, Oberstudienrätin Cornelia Golling und Festivalleiter Steffen Kopetzky zehn Geschichten für das Finale ausgewählt.

Es ist kühl im Rittersaal des Schlosses, einzig die Geschichten wärmen und natürlich die Spannung, wer am Ende die Nase vorn haben wird. Distl betont, die Jury habe es sich nicht leicht gemacht, weitaus mehr Texte hätten es verdient, vorgelesen und mit dem Buchpreis, dem neuen Tolkien "Die Legende von Sigurd und Gudrun", belohnt zu werden. Noch schwieriger scheint die Wahl der drei Sieger. Von "erfreulichem und beachtlich hohem Niveau der eingereichten Texte", spricht Kopetzky, der sich als künstlerischer Leiter besonders freut, dass "das Erzählen immer noch die Form ist, über den sich Menschen bevorzugt artikulieren".
 
Nach abwechslungsreicher, zweistündiger Lesestunde im nicht immer eingehaltenen Zehn-Minutentakt steht fest: Rita Brunner aus Aresing macht mit "Der Feuervogel" das Rennen, erhält ein Buchpaket sowie einen 200-Euro-Gutschein, der von der Stadt Neuburg ausgelobt wurde. Überzeugt hat die Jury die "packende Dichte, ganz im Stil der klassischen Kurzgeschichte", sagt Distl. Die Musiklehrerin des Schrobenhausener Gymnasiums hat eine liebenswerte, augenzwinkernde Hommage an ihren verstorbenen Vater geschrieben und sich beim Vortrag mit pointiertem Humor Sympathie und Schmunzeln des Publikums erworben.

Nachdenklich stimmt die lebendig und ebenfalls humorvoll erzählte Geschichte von Rosemarie Schowalter-Frey, die mit "Die anderen" auf Platz Zwei landet. "Die anderen" waren in ihrer Kindheit die Katholiken – nur, dass es in der Schule genau anders herum war. Dort war sie "die andere" und sollte "mal etwas auf evangelisch sagen". Heute lebt die Religionspädagogin "in bester Ökumene" und beobachtet besorgte Blicke muslimischer Eltern, wenn deren Kinder in den Schulgottesdienst gehen.

Als Vertreterin der Jugend, die die Aufgabe sprachlich hervorragend löste, wird eine Pfaffenhofener Schülerin ausgezeichnet, die in "Und dann" unter dem Pseudonym Len Hawk "die ganz normale Kindheit um die Jahrtausendwende" kritisch unter die Lupe nimmt.

Ob Ferkelmarkt oder Mobbing-Geschichte, Selbstmord, der Moorstaub der Erinnerung, philosophisch-bairische Betrachtung des "hinter oder nüber", Geschichten um Traditionen wie die "scheene Leich" oder Historisches über das Studienseminar – hörenswert war es allemal, was hier für "Fliesstext10" zusammengetragen wurde.