Vergangenen
Die Saat der Gewalt

"Tatort: Kriegssplitter": Der elfte Fall des Luzerner Ermittlerduos

03.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:33 Uhr

Reto Flückiger (Stefan Gubser) verhaftet einen Verdächtigen (Vladimir Korneev, liegend). - Foto: Winkler/ARD Degeto/SRF

Vergangenen Sonntag lockte der "Tatort: Babbeldasch" gerade mal gut sechs Millionen Zuschauer vor die Bildschirme. So wenig Publikum hat der Sonntagskrimi sonst nur, wenn die Schweizer ermitteln. Und just die dürfen jetzt ran. Der neue Luzerner "Tatort: Kriegssplitter" kommt dabei ohne Experimente aus, widmet sich mutig und gekonnt einem sperrigen, aber spannenden Thema.

Ein Kommissar wird Zeuge eines Verbrechens: Reto Flückiger (Stefan Gubser) weilt beim Schäferstündchen mit einer verheirateten Frau in einem Hotel, als zwei Stockwerke über ihnen ein Mann aus dem Fenster fällt und stirbt. Seine Kollegin Liz Ritschard (Delia Mayer) erfährt, dass das Opfer ein investigativer Journalist war, der über Gräueltaten im Tschetschenienkrieg recherchiert hat und einem möglichen Kriegsverbrecher auf der Spur war: Ramzan Kaskanov. Der lebt mit falscher Identität in der Schweiz. Die Kommissare suchen den Mann. Doch sie sind nicht die Einzigen: Eine mit Schleppern in die Schweiz gekommene, junge Frau ist hinter ihm her. Die findet Unterschlupf bei ihrem Zwillingsbruder Nurali (Joel Basman), der längst in der Schweiz privat und beruflich Fuß gefasst hat. Die beiden geraten bei der Jagd auf Ramzan in größte Gefahr. Auch ein tschetschenischer Auftragskiller und die russische Botschaft sind hinter dem Kriegsverbrecher her.

Es ist ein verschachtelter Fall, den Stefan Brunner und Lorenz Langenegger da entworfen haben. Mehrere Handlungsstränge werden durchaus geschickt in den knapp eineinhalb Stunden zusammengeführt. Nur die Auflösung gerät nicht sonderlich überzeugend. "Kriegssplitter" ist ein klassischer Themenkrimi, der aufrütteln und sensibilisieren will. Der Tschetschenienkrieg ist hierzulande nicht so in den Köpfen haften geblieben wie manch anderer Konflikt. Aber er hat Hunderttausende an zivilen Opfern gefordert, durch verzweifelte Vergeltungsakte sogenannter Schwarzen Witwen Hass geschürt und Terrorwellen mit blutigen Anschlägen zur Folge gehabt.

Der Film befasst sich mit dem schrecklichen Erbe des Krieges (genauer gesagt, gab es sogar zwei Tschetschenienkriege). Und damit, was Auseinandersetzungen fast immer hinterlassen - Gewalt, die in die Generation von Kindern und Kriegswaisen übergeht. Ein Film über Krieg und Gewalt und wie sie sich vererbt. Dafür steht die junge Frau, die sich auf einen Rachefeldzug begibt und dabei ihren Bruder und dessen Familie mithineinzieht. "Kriegssplitter" fliegen auch Jahre nach den Kämpfen umher, sie bringen neues Leid und Zerstörung. Das ist die Botschaft, die dieser Schweizer "Tatort" aussendet. Und die "Kriegssplitter" machen vor Grenzen nicht halt, die friedlich-neutrale Schweiz steht dafür.

Regisseur Tobias Ineichen hat den Krimi ohne viel Mätzchen in Szene gesetzt. Dramaturgisch läuft nicht alles rund, und die synchronisierten Passagen wirken holprig. Aber man erfährt einiges über die Hintergründe des Krieges. Und das wirkt nicht aufgesetzt und dozierend, vermittelt sich gut dosiert und eher beiläufig. Manche Figuren bleiben blass, doch es gibt auch starke Charaktere - allen voran Ramzan und Nurali. Letzterer wird verkörpert von Joel Basman. Er liefert hier eine starke Leistung ab.

Es ist der elfte gemeinsame Fall für die Kommissare Liz Ritschard und Reto Flückiger. Und der macht auch etwas sichtbar, was durch die letzten Episoden gegeistert ist. Viel Geheimniskrämerei machte Reto um eine Frau, mit der er sich traf oder simste. Nun bekommt sie ein Gesicht.

 

"Tatort: Kriegssplitter" läuft am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD.