Tokio
Eine Frage des Vertrauens

Japan-Debüt von Kirill Petrenko: Auftakt eines Gastspiel-Reigens in Tokio

20.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:28 Uhr

Meister der Tempi: Dirigent Kirill Petrenko in Japan. - Foto: Frei

Tokio (DK) Er lächelt verschmitzt in sich hinein, scheint sich zu vergnügen über die Fragen der Journalisten. In solchen Momenten ähnelt Kirill Petrenko einem Spitzbub, der gerade einen Streich ausgeheckt hat. Das passt ganz gut, zumal er Journalisten in die Verzweiflung treiben kann.

Seit Jahren gibt der Dirigent keine Interviews mehr. Eine Ausnahme macht er nicht, auch nicht für die Journalisten in Fernost. Dabei ist derzeit in Japan der "Hype" um seine Person ganz besonders groß.

Denn zum allerersten Mal ist Petrenko gegenwärtig in Japan auf Besuch. Für dieses Debüt gastiert Petrenko mit dem Bayerischen Staatsorchester und der Bayerischen Staatsoper in Tokio. Zuletzt weilte die Staatsoper 2011 in Japan, kurz nach der verheerenden Katastrophe mit Erdbeben, Tsunami und atomarem Super-GAU. Und weil das jetzige Japan-Debüt von Petrenko eben eine ganz große Sache ist, nicht zuletzt für den japanischen Veranstalter, wurde immerhin eine Pressekonferenz mit dem Dirigenten einberufen.

Auf ihr musste Petrenko prompt erklären, warum er keine Interviews gibt. "Diese Entscheidung ist schon vor langer Zeit gefallen", erwiderte er. "Es gibt viele Gründe. Für mich ist das Wichtigste, dass ich so wenig wie möglich über meine Arbeit sprechen möchte. Es sollte noch etwas von einem Geheimnis vorhanden sein. Man sollte als Dirigent auf dem Podium umso mehr sagen können und müssen." Und dies tut Petrenko ganz zweifellos.

Für den rein sinfonischen Auftakt des Japan-Gastspiels der Staatsoper im Saal Bunka Kaikan war Petrenko mit seiner absoluten Spezialität angereist: Gustav Mahler. In Tokio dirigierte er die fünfte Sinfonie, und erneut zeigte sich, dass Petrenko ein stupendes Gespür für die richtigen Tempi hat. Noch dazu räumte er mit dem weitverbreiteten Klischee auf, dass Mahlers Musik freie Veränderungen des Tempos, also Rubati, benötige.

Tatsächlich konterkarieren jedoch Rubati die Idee einer Collage mit abrupten Wechseln von Ausdrücken und Semantiken. Gleichzeitig zeigte Petrenko im zweiten Satz, dass das "Stürmisch bewegt" keineswegs ein hysterisches Rasen meint. Ein klar strukturiertes, inneres Beben wurde hörbar, das Form und Gehalt hellhörig durchleuchtete. Das berühmte Adagietto wurde hingegen nicht larmoyant zerdehnt, sondern wohltuend fließend genommen.

Ob die Trompetensoli von Andreas Öttl im ersten oder die Hornsoli von Johannes Dengler im dritten Satz: Bis ins letzte Detail schenkte diese Fünfte bleibende Hörerlebnisse. Eine Glanzleistung wurde überdies die "Rhapsodie über ein Thema von Paganini" für Klavier und Orchester von Sergei Rachmaninow. Mit dem Solisten Igor Levit ist ein vielschichtiges Porträt des "Teufelsgeigers" herausgekommen: klangsinnlich, ganz ohne virtuosen Überdruck.

Levit ist ein Farbenmagier, und mit Petrenko und den Musikern des Bayerischen Staatsorchesters fühlt er sich ganz besonders wohl. "Ich vertraue ihm, und ich glaube, das beruht auf Gegenseitigkeit", so Levit auf Nachfrage. Schon vor zwei Jahren hatte er unter Petrenko musiziert, in Israel. Auch zu anderen Dirigenten und Orchestern habe er ein besonderes Verhältnis, aber: "Die Partnerschaft mit dieser Gruppe von Musikern und mit ihm, das ist schon sehr singulär für mich."

Levit spricht von einem "ganz großen Miteinander". Genau dies ist die grundsätzliche Haltung von Petrenko als Dirigent. "Am besten erzielt man in den Proben mit dem Orchester so viel Einigkeit, dass im Konzert der Dirigent nur noch der Vermittler ist: zwischen Musik, den Ausführenden und dem Publikum." Auch dies sagte Petrenko auf der Pressekonferenz in Tokio. Zuvor erlebten Levit, die Bayern und Petrenko einen regelrechten Jubelsturm: ein bleibendes Großereignis.