Tokio
Blick aus der Ferne

Die Bayerische Staatsoper gastierte in Tokio mit dem neuen "Tannhäuser" Jubel besonders für Klaus Florian Vogt

25.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr

Star der Produktion: Tenor Klaus Florian Vogt wird in Japan umlagert von Autogrammjägern. - Foto: Frei

Tokio/München (DK) Eine Verwesungsshow ist nicht jedermanns Sache. In der Neuproduktion von Richard Wagners "Tannhäuser", die Romeo Castellucci für die Bayerische Staatsoper in München entworfen hat, zerfallen im finalen Akt die Körper von Tannhäuser und Elisabeth allmählich zu Staub.

So viel Grufti-Atmosphäre kann verstören, zumal im höflich unverbindlichen Japan.

Vielleicht fiel deswegen der Schlussapplaus in Tokio insgesamt verhalten aus. In der großen Halle des öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Senders NHK gastierte die Bayerische Staatsoper mit Castelluccis Produktion. Dabei sind die Japaner eigentlich bekannt für ihren Enthusiasmus. Beim sinfonischen Gastspiel der Staatsoper wenige Tage zuvor mit Kirill Petrenko wollte der Applaus nicht enden (wir berichteten).

Auch beim "Tannhäuser" waren Petrenko und das Bayerische Staatsorchester ganz klar die Helden. "Die sind einfach: wow!", schwärmte hinterher ein Besucher. "Mir geht es um ein Erlebnis, das ich in dieser Form nicht alle Tage haben kann", ergänzte eine ältere Dame. "Im Grunde spare ich mir sehr viel Geld, weil ich nicht extra von Tokio nach München fliegen muss, um das zu erleben."

Denn die Eintrittskarten für den "Tannhäuser" waren in Tokio ziemlich saftig. Die günstigsten Tickets lagen bei 130 Euro. Für besonders gute Sitzplätze musste man 500 Euro blechen. Ein solches Opern-Gastspiel ist nämlich ein besonders teures Vergnügen, auch wenn Staatsopern-Intendant Nikolaus Bachler und sein Team die Kosten im Vorfeld durchaus gedrückt haben. So mischten jetzt in Tokio einige Komparsen und Techniker aus Japan mit, die eben nicht eingeflogen werden mussten.

Noch dazu wurde die Inszenierung von Castellucci deutlich reduziert: "Angepasst", wie es Bachler im Gespräch formulierte. Tatsächlich war diese "Adaption" schon allein wegen der anderen Bühnenverhältnisse in Tokio notwendig. Im Vergleich zum Nationaltheater in München ist die NHK-Bühne kürzer, hat also eine geringere Tiefe. Schon im ersten Akt wirkten die Venus (Elena Pankratova) und der Venusberg weitaus reduzierter.

Auch agierten weniger Bogenschützen, und im zweiten Akt fehlte eine Reihe der kreisrunden, weißen Vorhänge. Das lebendige Pferd wurde hingegen durch eine Projektion ersetzt, und im finalen Aufzug sang Elena Pankratova die Venus hinter der Orgel. In der NHK-Halle gibt es nämlich keine Logen. Sonst aber betonten Bachler und sein Team, dass szenisch nichts verändert worden sei. Die Wirkung war jedoch eine andere.

In Tokio wirkten die Szenerien wohltuend straffer und konzentrierter, mit weniger Klimbim: ein großer Pluspunkt. Zugleich waren viele Details weitaus besser zu erkennen als am Münchner Nationaltheater, wo von manchen Plätzen aus nicht alles gesehen werden kann. Dass diese Produktion jedoch aufwendige Umbauarbeiten erfordert, konnte Bachler nicht wissen. Als das Gastspiel geplant wurde, hatte Castellucci seinen "Tannhäuser" noch nicht vollendet.

Dafür aber passten die ersten zwei Aufzüge sehr gut in den kulturellen Kontext von Japan. Castellucci arbeitet hier mit einer Ästhetik, deren grundsätzliche Reduktion und Abstraktion, Choreografie und symbolische Bildersprache eine assoziative Brücke nach Fernost schlägt. Manches erscheint fast schon wie eine moderne Übersetzung des traditionellen N-Theaters aus Japan.

Leider konnte die Besetzung in Tokio nicht derart glänzen wie in München. Als Elisabeth entwickelte Annette Dasch stimmlich und darstellerisch nicht dieselbe Präsenz wie Anja Harteros. Im Vergleich zu Christian Gerhaher wirkte überdies Matthias Goerne als Wolfram im Gesang recht matt. Umso größer war der Beifall für den Tannhäuser von Klaus Florian Vogt. Die Sieger waren indes ganz klar Petrenko und das Bayerische Staatsorchester: Für sie gab es stürmischen Beifall.