Thiersee
Leseglück inklusive - Ein Hotel in Tirol bietet Autorenabende und eine Hausbibliothek

07.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:06 Uhr

Der Gedichtzyklus „Hotels“ des Tiroler Autors Raoul Schrott ist in die Flurteppiche eingewebt. Er lädt die Hotelgäste zu einer poetischen Lesereise ein. - Foto: Fröhlich

Thiersee/Tirol (DK) Lesen im Urlaub ist beliebt. Das Literaturhotel Juffing in Tirol bietet dazu Autorenabende, eine Hausbibliothek, Wunschlektüre auf den Zimmern und Gedichte auf Wänden und Böden.

Das Wort Hotel, so schreibt der Tiroler Schriftsteller Raoul Schrott in seinem Gedichtzyklus „Hotels“, geht auf die göttliche Hestia zurück. Ihr hatte Zeus die Mitte des Hauses zugewiesen, den Herd, die Feuerstelle, wohin der Gast geführt wurde wie zu einem Altar als Zeichen, dass er willkommen war.

Auf diesem Gedichtzyklus geht der Gast im Hotel Juffing zu seinem Zimmer, die Dichterworte sind in die Flurteppiche eingewebt und in beiden Richtungen lesbar. In den Zimmern wartet eine Auswahl an Büchern – Vorschläge zum Lesen, die dem Motto des Zimmers zugeordnet sind – im russischen Zimmer sind es Werke von Tolstoi und Dostojewski. Oder jene Bücher, die sich der Gast vor seinem Aufenthalt gewünscht hat, auch im englischen und französischen Original. Vor vier Jahren haben Sonja Juffinger-Konzett und ihr Mann Elmar ihr Wellness-Hotel als Literaturhotel geplant.

Mehr als 3000 Bücher warten mittlerweile auf Literaturbegeisterte in der hoteleigenen Bibliothek. Sortiert nach Themen wie Philosophie, Lyrik, Belletristik, Ratgeber oder Krimi wurden sie gemeinsam mit einem Team der Universität Innsbruck ausgesucht: „Ich wollte die ganze Bandbreite – vor allem Anspruchsvolles, auch Entspannendes, Modernes, Lieblingsbücher“, sagt Sonja Juffinger-Konzett. Auch im Empfangsbereich und im Kaminzimmer gibt es Regale voll.

Zum Konzept „Literatur am Kirchturm“ – das Haus steht in unmittelbarer Nachbarschaft zur Dorfkirche – gehört mehr: Mit Aufenthaltsstipendien werden der Austausch und die Arbeit von Schriftstellern gefördert. Einmal im Monat finden Lesungen statt für Hotelgäste und andere Literaturbegeisterte, die mehr über Autoren, deren Weltsicht, Arbeitsweise und Leben erfahren, wollen.

„Im ersten Jahr habe ich ausschließlich Tiroler eingeladen, um meine Heimat literarisch vorzustellen“, sagt Sonja Juffinger-Konzett. Unter anderen las Raoul Schrott im Juli 2014 jenen Gedichtzyklus vor, auf dem die Gäste nun wandeln. 2015 sind es Schriftsteller aus allen Regionen Österreichs. Und immer setzt sich das literaturbegeisterte Hoteliers-Paar persönlich dafür ein, dass ein Wunschautor kommt, reist schon mal einer Autorin selbst nach.

So bei Christoph Ransmayr. Zu dessen Buch „Der fliegende Berg“, jenem im Flattersatz geschriebenen Roman über zwei Brüder, die von Irland aus in den Transhimalaya aufbrechen, um einen bislang auf Landkarten nicht verzeichneten Berg zu besteigen, habe sie eine besondere Beziehung, sagt die Hotelchefin beim Lesetermin Ende Juni.

Zunächst aber las Ransmayr aus seinem „Atlas eines ängstlichen Mannes“, den er im April 2013 bereits in der Reihe „LeseLust“ unserer Zeitung vorgestellt hatte. Las und entfaltete jene „poetische Kraft und Dichte des Erzählens“, für die er im Juni 2013 in Neuburg mit dem Ernst-Toller-Preis ausgezeichnet wurde. Hier im Juffing wünscht er sich „keine Fragerunde für alle“, sondern persönliche Gespräche nach der Lesung: „Wir zelebrieren keine Andachtsstunde der Literatur!“ In kleiner Runde im Kaminzimmer erzählt er von seiner Freundschaft zu Reinhold Messner, von gemeinsamen Touren, davon, wie er, der Schriftsteller, den erfahrenen Bergsteiger nach Details fragt: „Wie klingen Schneeflocken, wenn sie auf die Zeltplane fallen“ Er, der „Grenzgänger“ (Messner über Ransmayr), sei kein Abenteurer, sondern neugierig auf Menschen, Geschichten und Kulturen. Das bringe ihn zwar auch in manch’ extreme Situation. Aber er genieße gerne Gastlichkeit. Und weil er fremden Kulturen mit Achtsamkeit begegnet, sei er in Japan auch in jenen traditionellen Ryokans willkommen, die ausländischen Touristen verschlossen bleiben. Bis nach Mitternacht plaudert er offen, auch davon, dass ihn – eine weitere Verbindung zu Messner – die Frage Kains, „Bin ich der Hüter meines Bruders“ (Genesis/ 1. Mose 4, 9) umtreibe.

Bis sich die Gruppe auflöst, man zu den Zimmern geht. Auf Schrotts Gedicht und vorbei an Gedichtzeilen von Novalis, Heine oder Jandl, die in Leuchtschrift an den Wänden des Hotels angebracht sind – zur Inspiration, als weitere Impulse.

 

Am 28. Juli liest Lydia Mischkulnig. Weitere Termine: Juffing Hotel, A-6335 Thiersee, Telefon (00 43) 5 37 65 58 50, Mail an info@juffing.at.