Stuttgart
Der lange Schatten des RAF-Terrorismus

Im neuen "Tatort" aus Stuttgart führen die Spuren zurück zur "Todesnacht von Stammheim" 1977

13.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:21 Uhr
ARCHIV - Die Schauspieler Richy Müller als Thorsten Lannert (l) und Felix Klare als Sebastian Bootz schauen am 04.05.2017 in Stuttgart (Baden-Württemberg) für ein Portrait in die Kamera. (zu dpa "Tatort: "Der rote Schatten" vom 11.10.2017) Foto: Lino Mirgeler/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ −Foto: Lino Mirgeler (dpa)

Stuttgart (DK) Der deutsche Herbst und die "Todesnacht von Stammheim" jähren sich zum 40. Mal. Es gibt viele Erklärungen für das, was in der Nacht zum 18. Oktober 1977 im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses geschehen ist, und auch immer noch Spekulationen. Jetzt macht auch die "Tatort"-Reihe dieses historische und für die Republik auch traumatische Ereignis zum Thema. "Der rote Schatten" bietet einen fiktiven aktuellen Mordfall, dessen Spuren zurück in diese Zeit führen.

Es beginnt mit einer toten Frau in einem Kofferraum. Die ist in der Badewanne ums Leben gekommen. Ihr Ex-Mann Heider glaubt, dass sie von ihrem jetzigen Lebensgefährten Jordan (starke Rolle für Hannes Jaenicke) ermordet wurde. Heider wollte die Leiche im Ausland obduzieren lassen, kam mit dem Wagen aber von der Straße ab. Eigentlich ist das gar kein Fall für die Stuttgarter Ermittler Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare). Doch beide glauben Heider und gehen der Sache nach. Sie entdecken, dass Jordan in den 70er-Jahren als V-Mann für den Verfassungsschutz gegen die RAF eingesetzt wurde. Bald bekommen die Kommissare bei den Ermittlungen Gegenwind. Was soll da vertuscht werden? Und was ist mit Jordans Identität? Der Mann hat große Ähnlichkeit mit einem Ex-RAF-Mitglied, das später mit dem Verfassungsschutz dealte und Aussagen machte, wie die Waffen für die tödlichen Schüsse in die Zellen kamen.

Dominik Graf hat diesen Krimi, der sich im Lauf der 90 Minuten zum Polit-Thriller entwickelt, in Szene gesetzt. Der Regisseur, der mit "Frau Bu lacht" den vielleicht besten Film der "Tatort"-Reihe gedreht und für seine Arbeiten zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat (u.a. zehn Grimme-Preise!), arbeitet in "Der rote Schatten" auf zwei Zeitebenen, die er geschickt miteinander verknüpft. Hier der aktuelle Fall, da die historischen Bilder, die sowohl aus dokumentarischem Material als auch aus nachgedrehten Szenen bestehen. Fakten und Fiktion im Wechselspiel, virtuos zusammenkomponiert, mit einem Erzählrhythmus, der eine besondere Dynamik entwickelt und für Dominik Graf typisch ist. Immer wieder werden Szenen unterbrochen, werden aufgebrochen durch Rückblenden oder Fotos, wird gezeigt, was war oder was gewesen sein könnte.

Dieser "Tatort" mit seiner komplexen Geschichte wird polarisieren, vor allem in Bezug auf den Inhalt. Er geht ungeklärten Ereignissen, Versäumnissen, Schlampereien und Vertuschtem im Umkreis der Selbstmorde von Baader, Raspe und Ensslin nach und stellt die Frage, warum es nicht möglich ist, die Ereignisse der "Todesnacht von Stammheim" vor 40 Jahren zweifelsfrei zu klären.

 

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.