"Strauß war eine feindliche Übernahme"

Der Kabarettist Helmut Schleich über sein neues Programm, mit dem er auch in Ingolstadt gastiert

24.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:19 Uhr

Ingolstadt (DK) Das brandneue, von Publikum wie Kritik gleichermaßen hoch gelobte Programm des Münchener Kabarettisten Helmut Schleich heißt „Ehrlich“. Am Mittwoch, 17. September, gastiert er damit im Ingolstädter Theaterfestsaal. Was es mit Ehrlichkeit, seinen Figuren und seinem Lieblings-„Ensemblemitglied“ Franz Josef Strauß auf sich hat, erklärt er vorab im Interview.

 

Herr Schleich, warum haben Sie sich ausgerechnet für das Thema „ehrlich“ entschieden?

Helmut Schleich: Weil es viel hergibt. Im Alltag wird Ehrlichkeit von allen eingefordert, aber absolute Ehrlichkeit in jeder Situation wäre fatal. In politischer Hinsicht wird gerade die Ehrlichkeit ja derzeit sehr heiß verhandelt. Das Thema ist also in mehrfacher Hinsicht aktuell.

 

Welche Intention haben Sie mit Ihrem neuen Programm und grundsätzlich als Kabarettist? Wollen Sie ihr Publikum aufklären, wachrütteln, bekehren, provozieren oder einfach nur unterhalten?

Schleich: Ich mache jetzt seit 30 Jahren Kabarett und habe dabei natürlich verschiedene Stufen der Entwicklung durchlaufen. Beim neuen Programm speziell war mir eines besonders wichtig: Alle Figuren müssen das sagen, was der Schleich denkt. Sie sprechen verschiedene Dinge an, die mir persönlich wichtig sind. Deswegen trägt das Programm auch den Untertitel „Ein Abend der Geständnisse“. Dabei geht’s durchaus ans Eingemachte, also um die großen Themen wie Demokratie, den Umgang mit den Alten in unserer Gesellschaft, um Europa und um Integration. Meine Figuren sind so angelegt, dass sie dabei ordinär, polemisch oder auch mal naiv sein dürfen, also alles, was das Publikum dem Kabarettisten pur nicht abkaufen würde.

 

Sie sind ja ein begnadeter Typendarsteller. Jeder, der Sie einmal auf der Bühne gesehen hat, weiß das. Was muss eine Figur an sich haben, um parodietauglich zu sein? Und wer käme dafür gar nicht infrage?

Schleich: Im Grunde ist jede Person parodietauglich, sofern sie über genügend Profil verfügt. Entweder hat die Figur reales Profil oder zumindest charakterliche Eigenschaften, auf deren Basis ich ihr ein passendes Profil andichten kann. Es kann sich also im Grunde jeder bei mir melden und ich werde schauen, was ich daraus machen kann.

 

Das passt zu Ihrer Parodie von Franz Josef Strauß. Warum ist der für Sie immer noch aktuell, obwohl jüngere Zuschauer ihn ja nur noch aus zweiter Hand kennen?

Schleich: Der Bekanntheitsgrad ist da eigentlich egal. Strauß ist mittlerweile quasi Mitglied meines Ensembles geworden. Er hat den Charakter, das zu sagen, was ich ihm andichte. Man könnte sagen: Der Franz Josef Strauß war eine feindliche Übernahme meinerseits.

 

Eine Frage aus aktuellem Anlass: Zwei Journalisten von der „Zeit“ haben Ihre Kollegen Max Uthoff und Claus von Wagner verklagt, weil ihnen ihre Nummer in der „Anstalt“ des ZDF, die die Verquickung von Journalismus und Lobbyismus zum Thema hat, nicht passt. Welche Meinung haben Sie zu dem Vorfall?

Schleich: Ich finde das toll. Das Beispiel zeigt, dass es durchaus Wirkung hat, wenn jemand wie hier auf höchstem Niveau provoziert. Andersherum wird deutlich, wie verkommen die ganze Truppe ist, dass sie sich dermaßen provozieren lässt. Dass politisches Kabarett so etwas leisten kann, hätte man ihm gar nicht mehr zugetraut. Die Gefahr einer via Think-Tanks gleichgeschalteten öffentlichen Meinung ist natürlich auch ein Top-Thema. Einen Volltreffer wie diesen kann sich das Kabarett nur wünschen. Nun ja, die „Anstalt“ dürfte auf jeden Fall mehr Nutzen aus dem Vorfall ziehen als die „Zeit“.

 

Die Fragen stellte Karl Leitner.